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EuGH 28.03.2019 – Neue EuGH Entscheidung zur Umsatzsteuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen trotz Nichterfüllung formeller Pflichten

22 Mai 2019

Im vorliegenden Urteil vom 28. März 2019 (C-275/18, Vinš) hatte sich der EuGH mit der Frage zu beschäftigen, ob es dem Unionsrecht entspricht, wenn eine nationale Rechtsvorschrift die Anwendbarkeit der Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen vom Vorliegen formeller Voraussetzungen abhängig macht. Im konkreten Fall sieht das nationale Recht vor, dass diese Umsatzsteuerbefreiung nur dann zusteht, wenn die Gegenstände der Ausfuhr in das Zollverfahren der Ausfuhr überführt worden sind.

Der zugrundeliegende Sachverhalt ist relativ unkompliziert. Herr Vinš lieferte jeden Monat 400 bis 500 Gegenstände auf dem Postweg an Orte außerhalb der Union und nahm in diesem Zusammenhang konsequenterweise die Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen in Anspruch. Eine Überführung in das Zollverfahren der Ausfuhr unterblieb, allerdings war die Warenbewegung anderweitig nachweisbar (zB durch Belege des Postdienstleisters). Die nationalen Gerichte jedoch versagten die Anwendbarkeit der Umsatzsteuerbefreiung für die gegenständlichen Lieferungen, da dem zusätzlich im nationalen Recht vorgesehenen Kriterium der Überführung der Gegenstände der Ausfuhr in ein Zollverfahren nicht Genüge getan wurde. Dass die Gegenstände das Unionsgebiet tatsächlich verlassen haben, steht außer Streit.

Der EuGH hat zunächst ausgeführt, dass Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer oder für dessen Rechnung an Orte außerhalb der Union versandt oder befördert werden, von der Umsatzsteuer zu befreien sind. Diese Steuerbefreiung könne – so der EuGH – nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Gegenstände der Ausfuhr in das Zollverfahren der Ausfuhr überführt worden sind. Wesentlich sei vielmehr, dass die Liefergegenstände das Unionsgebiet verlassen haben, die Nichteinhaltung von Formalkriterien führe grundsätzlich nicht zur Versagung der Umsatzsteuerfreiheit.

Etwas Anderes könne nach der Rechtsprechung des EuGH nur in zwei klar definierten Fällen gelten. Zum einen kann sich ein Steuerpflichtiger, der sich vorsätzlich an einer das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdenden Steuerhinterziehung beteiligt hat, für die Zwecke der Anwendung einer Umsatzsteuerbefreiung nicht auf den Grundsatz der Steuerneutralität berufen. Es verstößt somit nicht gegen das Unionsrecht, von einem Wirtschaftsteilnehmer zu fordern, dass er in gutem Glauben handelt und alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Zum anderen kann ein Verstoß gegen eine formelle Anforderung zur Versagung der Umsatzsteuerbefreiung führen, wenn er den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden.

Im Ausgangsverfahren wurde weder die Beteiligung von Herrn Vinš an einer Steuerhinterziehung noch die durch die fehlenden Formalkriterien unmöglich gemachte Überprüfung der materiellen Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung behauptet. Dies vor allem deshalb, da der Warenweg zwar nicht mittels zollamtlicher Bestätigungen, aber doch mittels anderweitiger Nachweise (zB Belege des Postdienstleisters) dargestellt werden konnte.

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass der EuGH an seiner bisherigen Judikatur festhält, wonach die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen nicht von der Erfüllung von Formalkriterien abhängig gemacht werden darf, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die gelieferten Gegenstände tatsächlich in einen Staat außerhalb der Europäischen Union transportiert wurden. Etwas Anderes kann nur gelten, wenn die Erfüllung der formalen Verpflichtungen notwendig ist, um entweder Steuerhinterziehung hintanzuhalten oder um den Steuerbehörden die Überprüfung der tatsächlichen Verbringung dieser Gegenstände aus dem Gebiet der Union zu ermöglichen.