Das Base Erosion & Profit Shifting (BEPS) Projekt der OECD könnte in seiner nächsten Phase zu grundlegenden Änderungen hinsichtlich bestehender Steuerkonzepte und Gewinnzurechnungsregeln führen. Im jüngsten OECD-Konsultationspapier „Addressing the Tax Challenges of the Digitalisation of the Economy“ vom 13. Februar 2019 lädt die OECD zur aktiven Diskussion neuer Ansätze hinsichtlich der (Neu)Verteilung von Besteuerungsrechten sowie Maßnahmen gegen die Aushöhlung der Besteuerungsgrundlage („base erosion“) ein.
(Neu)Verteilung von Besteuerungsrechten über die Einführung von virtuellen Betriebsstätten
Im Papier finden sich weitreichende und grundlegend neue Diskussionsansätze zu aktuellen Herausforderungen der „digitalen Wirtschaft“, wobei jedoch nicht nur die sogenannte Digitale Wirtschaft im engeren Sinn verstanden wird: Der heutige Stand der Technologie ermögliche problemlos eine aktive Betätigung auf ausländischen Märkten aus der Ferne („remote participation“). Es solle daher über die Einführung von sogenannten virtuellen Betriebsstätten vom derzeitigen Ansatz der Besteuerung von lediglich Fällen von physischer Präsenz abgegangen werden.
In diesem Zusammenhang stellt die OECD drei mögliche Lösungsansätze alternativ zur Diskussion, die zu wesentlichen Änderungen der derzeitigen Gewinnzurechnungsregeln und sogar des Fremdvergleichsprinzips in seiner bisherigen Form führen würden:
- Modell der Nutzerbeteiligung (User participation model),
- Modell der immateriellen Werte im Vertriebsbereich (Marketing intangibles model),
- Modell der signifikanten wirtschaftlichen Präsenz (Significant economic presence)
Das Modell der Nutzerbeteiligung zielt auf hoch digitalisierte Geschäftsmodelle ab, die wesentlichen Nutzen aus den aktiven Beiträgen ihrer Nutzer („user input“) ziehen, beispielsweise über Kenntlichmachung, dass eine bestimmte Firmenwebsite geliked wird. Dieses Modell würde sich auf bestimmte Arten von digitaler Unternehmen beschränken, darunter etwa Social Media Plattformen, Suchmaschinen und Onlinemarktplätze. Staaten mit Nutzerbeteiligung würde (nach Zurechnung von Routinegewinnen an Konzerngesellschaften auf Basis herkömmlicher Verrechnungspreisansätze) ein Gewinn (ggf. unter Anwendung von Allokationsschlüsseln) auf Basis einer sogenannten Restgewinnteilung zugerechnet werden.
Das Modell der immateriellen Werte im Vertriebsbereich fingiert die Existenz von sogenannten „Marketing Intangibles“. Es handelt sich dabei um immaterielle Vermögenswerte in Zusammenhang mit Marketingmaßnahmen (z.B. Kundendaten, Marken etc.) auf ausländischen Märkten, selbst wenn keinerlei physische Präsenz vorliegt. Gewinne sollen den Staaten zugewiesen werden, in denen sich die jeweiligen Marketing Intangibles befinden. Es würde keine grundsätzliche Einschränkung auf bestimmte Unternehmenstypen erfolgen, jedoch sei das Modell eher sachgerecht in Fällen, in denen Daten von Konsumenten grundsätzlich online generierbar, analysierbar und verwertbar sind bzw. eine Interaktion mit dem Kunden aus der Ferne erfolgt (z.B. durch Online-Retailer oder wenn etwa eine Interaktion mit möglichen Konsumenten über Social Media Plattformen stattfindet.). Ähnlich zum Modell der Nutzerbeteiligung könnte die Residualgewinnmethode Anwendung finden.
Das Konzept des Modells der signifikanten wirtschaftlichen Präsenz lehnt sich an das „Digital Tax Package“ der EU-Kommission vom 21. März 2018 an, könnte den Umfang des vorgeschlagenen Konzepts jedoch überschreiten. Die OECD schlägt die Definition einer signifikanten wirtschaftlichen Präsenz unter Einbeziehung relevanter, lokaler Anknüpfungspunkte vor. Etwa der Existenz einer lokalen Nutzerbasis und damit verbundenen Datenbeiträgen, nachhaltige lokale Marketing- und Verkaufsaktivitäten, digital generiertes Datenvolumen oder die Verantwortung für After-Sales Leistungen. Im Gegensatz zu den ersten beiden Modellen plädiert die OECD hier auf eine Gewinnteilung auf Basis einer Beitragsanalyse vor.
Alle drei vorgeschlagenen Ansätze müssten noch weiterentwickelt werden, um beispielsweise den genauen Mechanismus der Gewinnverteilung festzulegen. Es wären jedenfalls faktische Verbesserungen der Streitbeilegungsmechanismen von Nöten, da diese Ansätze in der Realität kaum administrierbar sind.
Maßnahmen gegen die Aushöhlung der Besteuerungsgrundlage (Global anti base erosion proposal)
Des Weiteren schlägt die OECD zur Bekämpfung von Gewinnverschiebungen die Implementierung von zwei miteinander verknüpften Regelungen vor: Die Implementierung einer erweiterten Hinzurechnungsbesteuerungsregel gemeinsam mit der Besteuerung von „besteuerungssubstrataushöhlenden“ Zahlungen.
Die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung soll bestehende CFC-Regeln ergänzen. Demnach müssen die Einkünfte aus Beteiligungen an Gesellschaften bzw. Betriebsstätten jedes wesentlich beteiligten Gesellschafters (z.B. mind. 25%) insgesamt mit einer gewissen Mindestbesteuerung belastet sein. Eine Anrechnung von bereits im Ausland bezahlter Steuer der direkten und indirekten Beteiligungsgesellschaften- und Betriebsstätten ist hierbei zulässig. Die vorgeschlagene Regel nimmt ähnelt der neuen US-Gesetzgebung und würde laut OECD den Anreiz erheblich reduzieren, sich in Niedrigsteuerländer niederzulassen.
Die Implementierung einer „Subject-to-Tax“-Vertragsklausel sieht außerdem vor, dass vorteilhafte Regelungen aus dem vorherrschenden DBA betreffend Unternehmensgewinne (Art. 7), verbundene Unternehmen (Art. 9), Dividenden (Art. 10), Zinsen, Lizenzen und Veräußerungsgewinne (Art. 11-13) sowie sonstige Einkünfte (Art. 21) nur dann gewährt werden, wenn Einkünfte im anderen Staat ausreichend besteuert werden. Dies könnte beispielsweise faktisch auch zur Versagung einer Befreiung der Gewinne von ausländischen Betriebsstätten führen, sofern diese nicht einer bestimmten Mindestbesteuerung unterliegen.
Stellungnahmen zum veröffentlichten Konsultationspapier können bis zum 1. März 2019 eingereicht werden. Zudem wird eine Konferenz vom 13. bis 14. März 2019 in Paris stattfinden. Das finale Papier soll 2020 vorliegen.
Ansprechpartner:
Kori Weinwurm
Manager
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