Wie bereits in unserem Newsletter vom 22.4.2020 ausgeführt, ist ein Entschädigungsanspruch nach dem Epidemiegesetz binnen sechs Wochen nach Wegfall der Maßnahmen bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu beantragen. Durch die Klassifizierung als materiellrechtliche Frist führt der ungenutzte Ablauf zum Verlust des Ausgleichsanspruches (Präklusion).
Kritisch ist vor diesem Hintergrund nun der tatsächliche Beginn des Fristenlaufs.
Eine besondere Herausforderung liegt momentan darin, die einzelnen Rechtsgrundlagen zu eruieren, auf deren Basis die verschiedenen Betriebe geschlossen wurden. Aufgrund der Verordnungskompetenzen der Landeshauptleute einerseits, der Bezirkshauptleute andererseits sowie der Bürgermeister kommt es je nach Standort des einzelnen Betriebs zu unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen, die die Basis für Beginn bzw. Ende des Fristenlaufs bilden.
Erschwerend kommt hier überdies hinzu, dass Verordnungen erst mit ordentlicher Kundmachung in Kraft bzw. außer Kraft treten und der Fristenlauf schlussendlich danach zu bestimmen ist.
Was bedeutet das konkret?
Zunächst sollte unterschieden werden, ob die Maßnahme auf Basis des Epidemiegesetzes 1950 oder auf Basis des Covid-19-Gesetzes erlassen wurde.
1) Maßnahmen nach Epidemiegesetz 1950
In etlichen Bundesländern wurden - teilweise direkt durch die Bezirkshauptmannschaften, teilweise durch den Landeshauptmann - bereits Mitte März diverse Maßnahmen (Schließungen/Quarantäne) gesetzt, die sich unmittelbar auf das Epidemiegesetz 1950 stützten. Dadurch steht eine Prüfung offen, ob ein Ausgleichsanspruch prinzipiell eingebracht werden kann.
Konkretes Beispiel aus der Praxis: Mittels Verordnung der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 13.3.2020 (in Kraft bis 28.3.2020) wurde die Schließung sämtlicher Seilbahnen- und Beherbergungsbetriebe gem. § 20 Abs. 2 und Abs. 4 EpidemieG angeordnet. Nach Wegfall der Maßnahme am 28.3.2020 ist somit binnen sechs Wochen (bis spätestens 7.5.2020) ein Antrag auf Vergütung des Verdienstentgangs gem. § 32 EpidemieG bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde (St. Johann im Pongau) geltend zu machen.
ACHTUNG: In etlichen Fällen fielen die konkreten Maßnahmen auch bereits mit 19.3.2020 weg, wodurch eine Geltendmachung der Ansprüche bei sonstiger Präklusion bis spätestens 30.4.2020 geltend zu machen sind.
Derartige Verordnungen wurden im Zuge der Verlautbarung des Covid-19-Gesetzes Ende März sukzessive, teilweise direkt durch den Landeshauptmann, teilweise durch die Bezirkshauptmannschaft wieder aufgehoben und entsprechend kundgemacht. Durch die unterschiedlichen Kundmachungsformen (Gemeinden), gilt auch hier wieder, dass der Beginn des Fristenlaufs nicht einheitlich bestimmt werden kann.
2) Maßnahmen nach dem Covid-19-Gesetz
Mit 16.3.2020 trat das Covid-19-Gesetz in Kraft, wodurch ein Entschädigungsanspruch nach EpidemieG derogiert wurde. Anstatt eines Differenzanspruchs nach EpidemieG versuchte der Gesetzgeber damit einen Ausgleichsanspruch durch andere Unterstützungsmaßnahmen (Kurzarbeit, Härtefallfonds etc.) zu schaffen. Um hier allenfalls weitere Ansprüche zu wahren, könnte in diesem Zusammenhang vorsorglich und parallel zu den aufgezählten Unterstützungsmaßnahmen auch für die Schließung des Betriebs nach Covid-19 ein Antrag auf Vergütung nach dem Epidemiegesetz 1950 geprüft werden. Nach derzeitiger rechtlicher Beurteilung ist allerdings unklar, ob die Behörde vor dem Hintergrund der Gesetzesanpassung sowie den weiteren Hilfspaketen diesen Ansprüchen stattgeben wird. Aktuell geht die Vermutung dahin, dass in diesem Zusammenhang der Rechtsweg bis zu den Höchstgerichten ausgeschöpft werden müsste. Aufgrund der Unsicherheit empfehlen wir hier jedenfalls mit Ihrem Anwalt in Kontakt zu treten.
Prinzipiell gilt auch für den Wirkungsbereich des Covid-19-Gesetzes, dass der Ausgleichsanspruch analog nach EpidemieG binnen sechs Wochen nach Wegfall der Maßnahme zu beantragen ist. Auch hier ist individuell zu prüfen, wann der Wegfall tatsächlich eingetreten ist.
Conclusio:
Wurde Ihr Betrieb bereits vor einer einheitlichen, für alle (und somit nicht nur lokal) geltenden Verordnung durch den Gesundheitsminister geschlossen, ist ein Ausgleichsanspruch nach dem EpidemieG zu prüfen. Dies gilt auch insbesondere für die individuellen Quarantänemaßnahmen ab Mitte März.
Ab 19.3.2020 wurden die individuellen Anspruchsgrundlagen nach EpidemieG aufgehoben und durch jene des Covid-19-Gesetzes ersetzt. Der Fristlauf der sechs Wochen beginnt somit Großteils in den Zeiträumen ab 19.3.2020 (hier insbesondere für Teile Tirol) bis 30.3.2020 und endet somit bei sonstiger Präklusion bereits teilweise mit 30.4.2020.
Handlungsempfehlung:
Um die genaue Anspruchsgrundlagen sowie den konkreten Fristenlauf bestimmen zu können, benötigen wir sämtliche Unterlagen seit Beginn der Corona-Krise, mit denen eine Schließung des Betriebs angeordnet wurde. Sollte eine der individuellen Maßnahmen bereits Mitte März (insb. im Raum Tirol) weggefallen /bzw. gesondert aufgehoben sein, ist für einen Ausgleichsanspruch nach EpidemieG dringender Handlungsbedarf gegeben, da die Frist für die Beantragung bei sonstiger Präklusion in den kommenden Tagen abläuft. Der kritische Zeitraum des Wegfalls einzelner Maßnahmen betrifft somit insbesondere jenen zwischen 19.3.2020 (hier insbesondere für Teile Tirol) und 30.3.2020. ACHTUNG: Aufgrund des Überschneidens einzelner Bestimmungen ist auch eine nach diesem Zeitraum weiterhin geltende Schließung des Betriebs unerheblich. Die Anspruchsgrundlage könnte sich dennoch für einen gewissen Zeitraum auf das EpidemieG stützen, wodurch ein relevanter Entschädigungsanspruch gegeben ist.
Mögliche Ansprüche sowie die tatsächlich für den individuellen Fall vorliegenden Anspruchsgrundlagen sind jedenfalls mit einem Anwalt zu prüfen.
Berechnung
Gemäß § 32 EpidemieG ist die Entschädigung einer selbstständig erwerbstätigen Person und Unternehmungen nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen, wobei die Berechnungsmethodik gesetzlich derzeit noch nicht konkretisiert ist. Nach unserem Verständnis sowie in Anlehnung an die Ermittlung des Verdienstentgangs bei Entschädigungen i.Z.m. Versicherungsleistungen ist der Betrieb durch den Ausgleich des „fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommens“ so zu stellen, als hätte es keine Einschränkung gegeben.
Das fortgeschriebene wirtschaftliche Einkommen könnte demnach den Ersatz des Deckungsbeitrags darstellen, der in weiterer Folge zur Deckung der fixen Kosten heranzuziehen ist. Durch diese Berechnung sollte sich ein Unternehmensergebnis entsprechend jenem ohne Einschränkungen ergeben. Eine Besserstellung durch den Ausgleichsanspruch ist nicht im Sinne des Gesetzgebers.
Um das Unternehmensergebnis in weiterer Folge durch zusätzliche Maßnahmen (Kurzarbeit, Versicherungsvergütungen, Entschädigungszahlungen aus diversen Hilfsfonds) ebenfalls nicht zu verfälschen, ist auf den Entschädigungsanspruch nach EpidemieG auch eine derartige staatliche Unterstützungsleistung anzurechnen.
Für die fristwahrende Beantragung des Entschädigungsanspruches ist zunächst auf Basis der Vormonate sowie des Vorjahres unter Berücksichtigung der Unternehmensentwicklung der Umsatzverlust des entsprechenden Zeitraums zu ermitteln. Schwankungen bzw. Veränderungen im Preis- bzw. Mengengerüst sind ebenfalls zu berücksichtigen.
In weiterer Folge sind dem Umsatzverlust der Periode jene Kosten gegenüberzustellen, die durch die Schließung des Betriebs tatsächlich (oder alternativ prognostiziert) nicht angefallen sind. Hierfür kann entweder auf den tatsächlichen Stand der Buchhaltung zurückgegriffen werden, sofern diese für jene Zeiträume bereits finalisiert wurde, oder alternativ entsprechend der Ermittlung des Umsatzverlustes auch auf Vormonats-/ bzw. Vorjahresreferenzzahlen.
Für eine qualifizierte Berechnung sind aktuelle Zahlen bis Beginn der Krise sowie entsprechende Vorjahreswerte zur Verfügung zu stellen. Die Unterlagenaufbereitung für eine weitere Vorgehensweise ist jedenfalls mit Ihrem Berater abzuklären.
Wir unterstützen Sie gerne bei Ihren Anliegen!