Ukraine: Auswirkungen auf Abschlüsse

Krisensituationen wirken sich vielseitig auf die Unternehmensberichterstattung aus. Der aktuelle Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat erhebliche wirtschaftliche und finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen. Diese Auswirkungen sind i.d.R. bereits in den Abschlüssen 2021/2022 abzubilden. Abhängig vom Bilanzstichtag und dem Tag, an dem der Abschluss aufgestellt wird, können sich unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben.

Zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf Abschlüsse mit Bilanzstichtag bis zum 31.12.2021 lesen Sie auch den aktuellen Beitrag „Aktuelles: Bilanzielle Auswirkungen des Ukraine-Krieges“ vom 8.3.2022.

 

Wertaufhellung/Wertbegründung

Während der Ukraine-Krieg und seine Auswirkungen aus Sicht von Abschlüssen mit Bilanzstichtag bis zum 31.12.2021 ein wertbegründendes Ereignis darstellt, verlangen Abschlüsse mit abweichendem Geschäftsjahr sowie Zwischenabschlüsse eine einzelfallbezogene Beurteilung. Für Abschlüsse bis zum 31.1.2022 gelten u.E. dieselben Rechtsfolgen wie für Abschlüsse bis zum 31.12.2021, d.h. der Ukraine-Krieg und seine Auswirkungen sind grundsätzlich nicht im Zahlenwerk des Abschlusses zum 31.1.2022 zu berücksichtigen. Eine Berücksichtigung der Ereignisse in Abschlüssen, einschließlich Zwischenabschlüssen, mit Stichtag zum 28.2.2022 oder später ist u.E. jedenfalls geboten.

Sind die Auswirkungen des Ukraine-Krieges im Zahlenwerk eines Abschlusses abzubilden, können sich verschiedene Themenstellungen ergeben. Insbesondere kann eine neuerliche Überprüfung der Fortführungsfähigkeit erforderlich sein sowie die Möglichkeit oder Notwendigkeit zur Durchbrechung des Stetigkeitsgrundsatzes für Ansatz und Bewertung bestehen.

 

Auswirkungen auf die Aktiva

Der aktuelle Krieg zwischen Russland und der Ukraine konfrontiert Unternehmen aktivseitig vor allem mit Fragen zur Bewertung ihrer Vermögensgegenstände bzw -werte. Dazu zählen u.a.:

  • Der aktuelle Ukraine-Krieg wird im Regelfall dazu führen, dass die Prüfung von außerplanmäßigen Abschreibungen für Gegenstände des Anlagevermögens erforderlich ist. In den IFRS wird dadurch ein Auslöser für die Durchführung eines Wertminderungstests vorliegen. Dies betrifft insbesondere Firmenwerte und anderes immaterielles Vermögen, Sach- sowie gegebenenfalls Finanzanlagevermögen.
  • Bei Finanzanlage- und -umlaufvermögen, das zu beizulegenden Zeitwerten bewertet wird, sind die Auswirkungen des Ukraine-Krieges ebenso bei der Wertermittlung zu berücksichtigen. Dabei können sich durch die Sanktionen betreffend den Kapitalmarkt und Zahlungsverkehr erhebliche Auswirkungen ergeben.
  • Der Ukraine-Krieg kann sich zudem auf die Bewertung der Vorräte auswirken. Zum einen können Abschreibungen bspw. aufgrund verminderter Veräußerungsfähigkeit oder erhöhter Lagerkosten erforderlich sein. Zum anderen können nicht aktivierungsfähige Leerkosten entstehen, sollte es zu Verzögerungen bzw. Unterbrechungen in den Lieferketten kommen.
  • Durch die verhängten Sanktionen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den Kriegsregionen ist mit erhöhten Ausfallsrisiken zu rechnen. Diese sind bei der Bewertung des Vermögensgegenständen mit Forderungscharakter (z.B. allfällige Anpassung der Wertberichtigung bzw. erwarteter Kreditausfälle zu Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) entsprechend zu berücksichtigen. Die Überlegungen gelten für die Erfassung von Umsatzerlösen in den IFRS sinngemäß.
  • In Bezug auf aktive latente Steuern muss, insbesondere wenn diese aufgrund von Verlustvorträgen gebildet wurden, beurteilt werden, ob zukünftig ein ausreichendes zu versteuerndes Ergebnis vorliegen wird. Bei dieser Beurteilung sind die Auswirkungen des Ukraine-Krieges zu berücksichtigen.

 

Auswirkungen auf die Passiva

Der aktuelle Krieg zwischen Russland und der Ukraine äußert sich passivseitig vor allem in Bezug auf die Bildung zusätzlicher Vorsorgen in Form von Rückstellungen sowie neuer Verpflichtungen. Dazu zählen u.a.:

  • Schwebende Absatz- und Beschaffungsgeschäfte mit Bezug zu den Kriegsregionen (insbesondere Ukraine, Belarus und Russland) können die Bildung von Rückstellungen erfordern. Denkbar wären dabei Rückstellungen für drohende Verluste oder belastende Verträge, bspw. infolge steigender Rohstoffpreise oder gar Exportstopps für gewisse Produkte, sowie für Vertragsstrafen, z.B. weil geplante Fertigstellungstermine nicht länger eingehalten werden können. Rückstellungen können ebenso für geplante Umstrukturierungen erforderlich sein, bspw. wenn Unternehmen aus Anlass der aktuellen Situation entscheiden, mittel- bis langfristig ihre Niederlassungen in diesen Ländern aufzugeben.
  • Verluste oder Vermögensschmälerungen, die ein Unternehmen durch den Ukraine-Krieg erleidet, können zum Bruch von Kreditbedingungen (Covenants) führen. Dies führt im Regelfall zu einer vorzeitigen Rückzahlungsverpflichtung, wodurch sich zwar nicht der Erfüllungsbetrag der Verbindlichkeit, aber deren Fristigkeit ändert.
  • Eventualverbindlichkeiten, insbesondere aus Haftungsverhältnissen wie Garantien oder Bürgschaften, können schlagend werden. Diese sind sodann in der Bilanz anzusetzen:

 

Wertschwankungen der Fremdwährungen

Der aktuelle Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie die damit verbundenen Wirtschaftssanktionen haben einen starken Absturz des russischen (RUB) und belarussischen (BYN) Rubel ausgelöst. Die ukrainische Währung (UAH) verlor gegenüber dem Euro ebenso an Wert. Diese Wertschwankungen wirken sich auf die Bewertung der Aktiva und Passiva aus und es ist damit zu rechnen, dass vermehrt Fremdwährungsverluste realisiert werden.

 

Auswirkungen auf die Konzernrechnungslegung 

Der aktuelle Krieg zwischen Russland und der Ukraine kann sich auf die Konzernrechnungslegung von Unternehmen mit wirtschaftlichen Beziehungen in den Kriegsregionen (insbesondere Ukraine, Belarus und Russland) auswirken. Zum einen können österreichische Konzernmütter betroffen sein, wenn sie die für die Vollkonsolidierung einer ausländischen Tochtergesellschaft erforderlichen Finanzinformationen nicht erhalten. Zum anderen können österreichische Tochterunternehmen betroffen sein, wenn sie in der Vergangenheit von der Aufstellungspflicht eines Teilkonzernabschlusses befreit waren, die Konzernmutter in der Kriegsregion jedoch nicht in der Lage ist, einen Konzernabschluss aufzustellen. Hieraus können sich unterschiedliche Rechtsfolgen für die betroffenen Unternehmen und deren Unternehmensberichterstattungspflichten ergeben.

 

Erforderliche Angaben in Anhang, Lagebericht und NFI Bericht

Anhang

Sofern der Ukraine-Krieg als wertbegründend eingestuft wird, stellt sie ein Ereignis nach dem Abschlussstichtag. Dieses ist, sofern es ein Unternehmen von wesentlicher Bedeutung ist, im Anhang von mittelgroßen und großen Unternehmen anzugeben (§ 238 Abs. 1 Z 11). Gilt sinngemäß in den IFRS (IAS 10.21).

Hinweis: Für kleine Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften ist § 238 Abs. 1 Z 11 nicht verpflichtend anzuwenden.

 

Die Anwendung des Grundsatzes der Unternehmensfortführung bei Ansatz und Bewertung ist im Anhang anzugeben (§ 237 Abs. 1). Wenn Unternehmen derart von den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges betroffen sind, dass sich eine wesentliche Unsicherheit in Bezug auf die Fortführung des Unternehmens ergibt, ist diese Tatsache im Anhang zu erläutern (§ 222 Abs. 2). Gilt sinngemäß in den IFRS (IAS 1.25 f).

Hinweis: Für Kleinstgesellschaften besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Erstellung eines Anhangs. Bei wesentlichen Unsicherheiten in Bezug auf die Unternehmensfortführung wird empfohlen, Erläuterungen in den Abschluss aufzunehmen.

 

Im Anhang sind wesentliche Änderungen der angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden anzugeben (§ 237 Abs. 1 Z 1; IAS 8.29 bzw. .39).

 

Der Betrag und die Wesensart von Erträgen oder Aufwendungen, die von außerordentlicher Größenordnung oder Bedeutung sind, sind im Anhang anzugeben (§ 237 Abs. 1 Z 4). Gilt sinngemäß in den IFRS (IAS 1.97)

 

Wenn es zu einer Abweichung zwischen der tatsächlichen Ergebnisverwendung und der vorgeschlagenen Ergebnisverwendung kommt, ist keine Änderung des Abschlusses erforderlich.

Hinweis: Für GmbHs besteht ein Ausschüttungsverbot für erhebliche Verluste oder Wertminderungen, die nach dem Stichtag eingetreten sind und die das Vermögen nicht bloß vorübergehend geschmälert haben (§ 82 Abs. 5 GmbHG). Das Ausschüttungsverbot bezieht sich auf die erlittene Vermögensschmälerung und gilt sinngemäß auch für AGs. Ob derartige Verluste oder Wertminderungen vorliegen, ist unternehmensindividuell zu beurteilen.

Lagebericht

In der Berichterstattung über die voraussichtliche Entwicklung eines Unternehmens ist auch auf etwaige Auswirkungen des Ukraine-Krieges ist einzugehen (§243 Abs. 3 Z 1).

 

Wenn ein Unternehmen durch den Ukraine-Krieg wesentlichen Risiken ausgesetzt ist, die zu einer negativen Entwicklung bzw. Nichterreichung von Prognosen oder Zielen führen können, ist dies im Lagebericht entsprechend zu erläutern (§ 243 Abs. 1).

NFI Bericht

Unternehmen sind verpflichtet über wesentliche Risiken, die negative Auswirkungen auf die einzelnen Belange haben können, zu berichten. Dabei ist auch auf die Reaktion auf diese Risiken einzugehen (§ 243b Abs. 3 Z 5).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Das IDW hat die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Rechnungslegung zum Stichtag 31.12.2021 und deren Prüfung ausführlich in einem fachlichen Hinweis erörtert. Eine vergleichbare Stellungnahme ist von Seiten des AFRAC zu erwarten.


Quelle: Brandstetter/Nitschinger, Bilanzielle Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf den Abschluss mit Stichtag nach dem 31.12.2021, LexisNexis 360 [abgerufen am 14.3.2022].
Autorinnen: Verena Nitschinger und Kerstin Brandstetter

 


 

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