Umsatzsteuersenkung zur Inflationsbekämpfung?

In Zeiten steigender Inflationsraten werden auch politische Forderungen nach einer Senkung der Umsatzsteuer laut. Ob Konsument:innen von derartigen Senkungen tatsächlich profitieren, wird vielfach diskutiert und oft auch zu Recht angezweifelt. Unabhängig davon stellt sich jedoch die Frage, in welchen Bereichen Österreich überhaupt entsprechender Handlungsspielraum für Steuersenkungen zukommt. 
 

Die Umsatzsteuer ist innerhalb der EU durch die MWSt-SystemRL stark vereinheitlicht, sodass den einzelnen Mitgliedstaaten oft kein oder nur ein eingeschränkter Handlungsspielraum zukommt. Dies gilt auch im Bereich der ermäßigten Steuersätze. Die MWSt-SystemRL hat den Mitgliedstaaten bisher nur die Einführung von zwei ermäßigten Steuersätzen gestattet, die zudem mindestens 5% betragen müssen. Diese ermäßigten Steuersätze dürfen außerdem nur auf die Lieferung eng abgegrenzter Produkte (z.B. Lebensmittel) bzw. auf bestimmte Dienstleistungen (z.B. im Kulturbereich) angewendet werden.

Österreich hat entsprechend diesen Vorgaben zwei ermäßigte Steuersätze i.H.v. 10% und 13% eingeführt. Fast alle Warenlieferungen und Dienstleistungen, bei denen dies europarechtlich zulässig ist, fallen in Österreich unter einen dieser ermäßigten Steuersätze. Der europarechtlich bestehende Handlungsspielraum des österreichischen Gesetzgebers war damit bisher weitestgehend ausgereizt.

Neue Dynamik in diese Thematik bringt die vor Kurzem veröffentlichte EU-Richtline 2022/542/EU: Diese gestattet den EU-Mitgliedstaaten – und damit auch Österreich - zukünftig ergänzend zu den zwei bisherigen ermäßigten Steuersätzen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen die Einführung eines weiteren ermäßigten Steuersatzes, der unter 5% liegt. Daneben darf jeder Mitgliedstaat auch einen Null-Steuersatz einführen (mit vollem Recht auf Vorsteuerabzug).

Neben der Ausweitung auf bis zu vier ermäßigte Steuersätze bringt die neue Richtlinie auch eine Ausweitung jener Produkte und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Steuersätze angewendet werden dürfen. Insbesondere soziale und ökologische Aspekte haben für den Richtliniengesetzgeber dabei eine Rolle gespielt. Ergänzend zu den bisher bereits ermäßigten Lieferungen und Dienstleistungen dürften die Mitgliedstaaten in Zukunft u.a. folgende Umsätze einem ermäßigten Steuersatz unterwerfen:

  • Internetzugang
  • Lieferung und Installation von Solarpaneelen auf und in der Nähe von Privatwohnungen
  • Lieferung von ökologisch hergestellter Elektrizität, Fernwärme, Fernkälte und Biogas
  • Kinderbekleidung und Kindersitze
  • Lieferung von Fahrrädern und E-bikes
  • Geräte und Ausrüstung zum Einsatz bei Rettungs- und Erste-Hilfe-Diensten

Ob und in welcher Form Österreich von den neuen Freiheiten bei den ermäßigten Steuersätzen Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten. Der Spielraum für den Gesetzgeber ist jedenfalls nunmehr so groß wie noch nie und entsprechende politische Forderungen werden bereits laut.

Österreichische Unternehmer:innen, die im Ausland umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausführen (z.B. Versandhandel), sollten zudem im Auge behalten, dass auch im EU-Ausland entsprechende Änderungen bei den ermäßigten Steuersätzen jederzeit möglich sind.
 

Fazit

Eine neue EU-Richtline gibt Österreich bei den ermäßigten Umsatzsteuersteuersätzen deutlich mehr Spielraum als bisher. Zukünftig könnte es bis zu vier verschiedene ermäßigte Steuersätze (einschließlich eines Null-Steuersatzes) geben. Auch der Katalog potenziell begünstigter Produkte und Dienstleistungen wurde ausgeweitet. Es bleibt abzuwarten, ob und welche Änderungen der österreichische Gesetzgeber tatsächlich vornimmt.

Abonnieren Sie die neuesten Nachrichten von BDO!

Please fill out the following form to access the download.