Physiknobelpreis 2022

Auswirkungen auf Österreichs F&E

Es war schon ein Gänsehautmoment, als die Gewinner:innen des diesjährigen Nobelpreises der Physik genannt wurden und sich tatsächlich ein österreichischer Forscher der Quantenphysik unter den drei genannten Namen befand: Anton Zeilinger. Und gleich nach dieser Verkündung war in der österreichischen Medienlandschaft beobachtbar, dass dieser Preis nicht nur der Person Anton Zeilinger galt, sondern ganz Österreich nun Nobelpreisträger wurde. Es wurden sofort unzählige Stimmen laut, die der vermeintlich chronisch unterfinanzierten Forschungslandschaft Österreichs eine verheißungsvolle Zukunft vorhersagten. Aber wird dieser Nobelpreis tatsächlich einen Boost für Österreichs F&E bedeuten? Ich habe mich ein wenig durch vorhandene Daten zur F&E-Landschaft in Österreich gegraben und bin in meinen (bestimmt nicht alles umfassenden) Recherchen auf nachfolgende Schlüsse gekommen:

 

Welche Auswirkungen wird der aktuell gewonnene Nobelpreis der Physik auf Österreich und seine Forschungslandschaft haben?

Ob der Nobelpreis nun tatsächlich Einfluss auf unsere F&E Landschaft hat, lässt sich nicht so einfach beantworten. Nach weitreichenden Recherchen handelt es sich hierbei nämlich um einen weitaus komplexeren Sachverhalt, als er vermuten lässt. Denn: Schon die Frage, wer denn nun österreichische Nobelpreisgewinner:innen sind, führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Es hängt nämlich davon ab, wie eng oder weit der Begriff „Österreich“ angewendet wird.

 

Wer zählt eigentlich als österreichische:r Nobelpreisträger:in?

Vor einigen Jahren hat das Nobelpreiskomitee eine Nationalitätenliste erstellt. Historisch gesehen ist das Land, in dem der Geburtsort zum Zeitpunkt der Geburt der jeweiligen Preisträger:innen lag, dabei entscheidend, was für Österreich als Teil der ehemaligen Donaumonarchie nicht ganz unwesentlich ist. Diese Liste ist zwar derzeit nicht mehr auf der aktuellen Nobelpreis Homepage online einzusehen, sie dient aber als erste Orientierung. Somit waren mit dem diesjährigen Physiknobelpreisträger Anton Zeilinger 32 Nobelpreisträger:innen Österreicher:innen. Für meine Recherchen scheint jedoch plausibler, Preisträger:innen näher zu betrachten, die im Gebiet des heutigen Österreichs geboren wurden. Neben Zeilinger wurden demnach folgende 18 Preisträger:innen gekührt:

Nr. Vorname Nachname Geburtsjahr Geburtsstadt Verleihungsjahr Nobelpreis für
1 Alfred Fried 1864 Wien 1911 Frieden
2 Robert Barany 1876 Wien 1914 Medizin
3 Richard Zsigmondy 1865 Wien 1925 Chemie
4 Julius Wagner-Jauregg 1857 Wels 1927 Medizin
5 Karl Landsteiner 1868 Wien 1930 Medizin
6 Erwin Schrödinger 1887 Wien 1933 Physik
7 Viktor Hess 1833 Peggau 1936 Physik
8 Richard Kuhn 1900 Wien 1938 Chemie
9 Wolfgang Pauli 1900 Wien 1945 Physik
10 Max F.  Perutz 1914 Wien 1962 Chemie
11 Karl von Frisch 1886 Wien 1973 Medizin
12 Konrad Lorenz 1903 Wien 1973 Medizin
13 Friedrich August von Hayek 1899 Wien 1974 Wirtschaft
14 Walter Kohn 1923 Wien 1998 Chemie
15 Eric Kandel 1929 Wien 2000 Medizin
16 Elfriede Jelinek 1946 Mürzzuschlag 2004 Literatur
17 Martin Karplus 1939 Wien 2013 Chemie
18 Peter Handke 1942 Griffen 2019 Literatur
19 Anton Zeilinger 1945 Ried im Innkreis 2022 Physik

 

Welchen Impact haben die gewonnen Nobelpreise nun auf Österreichs F&E Landschaft?

Hat man sich einmal darauf geeinigt, wer denn als österreichische:r Nobelpreisträger:in gilt, ist die nächste Schwierigkeit, den Impact der gewonnen Preise darzustellen.

Eine Möglichkeit ist, einen Blick auf die Budgetzahlen des Bundes zu werfen. Hat der Wissenschaftsbereich nach einem Nobelpreisgewinn mehr Fördergelder zur Verfügung gestellt bekommen? Nach der Analyse der Bruttoinlandsausgaben für F&E von 1981 bis 2022 (in % des BIP) lässt sich kein signifikanter Anstieg der Ausgaben für F&E feststellen. Zwar stiegen die Ausgaben in den Folgejahren nach den Nobelpreisen Kohn (Chemie, 1998), Kandel (Medizin, 2000), Jelinek (Literatur, 2004, jedoch eher weniger F&E relevant) und Karplus (Chemie, 2013) höher als durchschnittlich, allerdings fand jeweils zeitgleich ein Regierungswechsel statt, womit ein Zusammenhang mit dem Nobelpreis nicht eindeutig kausal betrachtet werden kann.

Quelle: Statistik Austria

 

Ein weiteres Indiz könnte die Anzahl der Beschäftigten im F&E Bereich sein. Die Verleihung eines Nobelpreises könnte also eine verheißungsvolle Forschungslandschaft für Wissenschaftler:innen aus aller Welt suggerieren und kluge Köpfe ins Land ziehen. Ein Blick in die Zahlen zeigt zwar einen stetigen Anstieg an F&E Beschäftigten, doch in den jeweiligen Folgejahren eines Nobelpreisgewinns ist auch hier leider kein signifikanter Anstieg ablesbar.

Um die Forschungskraft messbar zu machen, können zwei weitere Kategorien herangezogen werden: die Anzahl der angemeldeten Patente und wissenschaftliche Publikationen.

Das Konzept der Triade-Patente eignet sich für einen internationalen Vergleich des F&E-Outputs (Innovationsfähigkeit) am besten, es handelt sich dabei laut OECD um einen Komplex von Patenten für dieselbe Erfindung: Sie wird hierzu beim Europäischen Patentamt, beim Japanischen Patentamt und beim Patent- und Markenamt der Vereinigten Staaten gleichzeitig angemeldet. Patentanmeldungen in mehreren Ländern spiegeln den technologischen und wirtschaftlichen Gehalt von Erfindungen wider und werden als Indikator für die Qualität der Erfindung angesehen.

Um die Anzahl wissenschaftlicher Publikationen eines Landes international in Vergleich setzen zu können, werden zitierfähige Publikationen (u.a. wissenschaftliche Studien, Reviews, Bücher, Artikel) pro Land berücksichtigt und ihre Gesamtzahl in Relation zur Landespopulation gesetzt.

Doch auch bei der Anzahl angemeldeter Triade-Patente und zitierfähiger Publikationen verhält es sich gleich wie zuvor bei der Analyse des F&E Budgets und der Anzahl der Beschäftigten im F&E Bereich: Selbst nach einem Nobelpreisgewinn ist keine signifikante Zunahme zu verzeichnen.

 

Fazit

Die betrachteten Daten liefern also kein Indiz dafür, dass ein Nobelpreisgewinn tatsächlich einen Boost für Österreichs F&E Landschaft bedeutet. Natürlich kann argumentiert werden, dass besonders die letzten Nobelpreise von Handke und Jelinek in der Kategorie „Literatur“ eher eine geringere F&E Relevanz aufweisen, doch auch vorhandene Daten zu länger zurückliegenden Nobelpreisen im Bereich der Naturwissenschaften zeigen nicht, dass die Wissenschaft einen nennenswerten Boost erfahren hätte.

Anders könnte es sich bei Zeilingers Nobelpreis der Physik als eine „Hardcore“ Naturwissenschaft verhalten. Interessant wird dabei zu beobachten sein, wie sich die Anzahl der Studierenden in diesem Bereich und danach im Bereich der Quantenphysik an den Universitäten entwickeln wird. Folglich müsste auch analysiert werden, ob hier ein Anstieg eingeworbener Drittmittel und Fördergelder für Grundlagenforschung beobachtbar wird.

Es wäre also sehr wünschenswert, eine solche Analyse auch seitens öffentlicher Stellen transparent durchzuführen und zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich könnte genau evaluiert werden, welche Forschungsfelder international gebraucht und genutzt werden. Darüber hinaus könnte das internationale Hochschulranking einen Aufschluss darüber bringen, ob Nobelpreisträger:innen einen positiven Einfluss auf ihre Universitäten haben. Diese Ergebnisse könnten alle aktiv in Österreichs F&E Strategie und Roadmap einfließen und gezielt Fördergelder fließen lassen. So könnte es tatsächlich gelingen, Österreich messbar als einen attraktiven Standort für eine wissenschaftliche Laufbahn und die Verwirklichung relevanter Forschungsvorhaben zu positionieren.

Doch was trotz aller analysierten Zahlen Zeilingers Nobelpreis bestimmt mit sich bringt ist ein wesentlicher Prestigegewinn für Österreichs Forschungslandschaft und im Besondern für die Universität Wien.

 

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