Aus der Kür wird die Pflicht

Erschienen im personal manager, Ausgabe 2/23, Schwerpunktthema: Recruiting
Autor: Maximilian Forstner, Senior Manager People & Organisation, Workforce Strategy & Reward Management ​


 

Strategische Personalplanung ist ein rollierender Prozess, der die Mitarbeiter:innenzufriedenheit durch vorausschauende Planung verbessert und so zum Unternehmenserfolg beiträgt. Das Resultat: Eine zukunftsfitte Belegschaft, deren volles Potential genutzt wird, Führungskräfte, die schneller und besser entscheiden und ein Unternehmen, das resilient und agil in die Zukunft schreitet.

 

Vor großen personellen Herausforderungen stehen viele unserer Kund:innen. Ein Traditionsunternehmen im Waldviertel mit rund 130 Beschäftigten musste zum Beispiel im vergangenen Jahr 18 Kündigungen und zusätzlich acht Pensionierungen verkraften -  was in Summe 20% Fluktuation entspricht. Die Suche nach Ersatz gestaltet sich schwierig. Zudem gibt es strategische Pläne für die Erweiterung des Produktportfolios und damit einhergehend einen Personalbedarf von circa 20 weiteren Fachkräften bis Mitte 2024.

Seinen Ursprung hat der ausgedünnten Arbeitsmarkt vor allem im demografischen Wandel. Hinzu kommen Digitalisierung, Beschleunigung von Innovation, neue Arbeitsmodelle und Anforderungen der Arbeitnehmer:innen, aber auch Krisen wie die Corona-Pandemie mit enormen Auswirkungen auf Lieferketten und Kund:innenverhalten.

Während große Unternehmen häufig die HR-Ressourcen besitzen, um auf derartige Herausforderungen und Änderungen zu reagieren, fällt es gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen zunehmend schwerer, wettbewerbsfähig im aktuellen War for Talents aufzutreten. Wie kann es dennoch allen Unternehmen gelingen, strategische Personalplanung einfach und effektiv in den HR-Alltag zu integrieren und so dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?

Gemäß einer Studie von 2017 verfügten nur 35% der teilnehmenden Unternehmen über eine vorrausschauende strategische Personalplanung.1) 2021 gaben bereits 80% der teilnehmenden Unternehmen an, bis 2025 in strategische Personalplanung zu investieren.2) Doch wie gestaltet sich diese in der Praxis? Eine seriöse Einschätzung der Entwicklung des Arbeitsmarkts in den nächsten fünf Jahren scheint angesichts der momentan herrschenden Dynamik beinahe unmöglich. Doch in der strategischen Personalplanung geht es vor allem um das proaktive Planen und Steuern, sodass grundlegende Überlegungen helfen können, sich allen Unwägbarkeiten zum Trotz gut aufzustellen.

 

In 5 Schritten zu einer erfolgreichen strategischen Personalplanung

Am Anfang steht immer die Frage nach dem Warum. Es bedarf konkreter und schlüssiger Beweggründe, um den komplexen Prozess anzugehen. Fragen Sie sich: Werden viele Mitarbeitende in den kommenden Jahren aufgrund von Pensionierung ausscheiden? Sind wir mit hoher Fluktuation konfrontiert? Entsteht hoher Aufwand aufgrund von Nachbesetzungen? Fehlen uns Kompetenzen, die wir für die Fortentwicklung des Unternehmens benötigen? Können vorhandene Arbeitskräfte alternativ eingesetzt werden? Verfolgen wir neue Strategien, Geschäftsmodelle oder Projekte? Wenn Sie den Großteil dieser Fragen mit „Ja“ beantworten können, ist es Zeit, sich Gedanken um strategische Personalplanung zu machen.

  1. Strategische Personalplanung ist ein essenzieller Bestandteil der Unternehmensstrategie und richtet sich nach den Unternehmenszielen aus. So kann sie diese optimal unterstützen und gleichzeitig in greifbare und pragmatische Maßnahmen übersetzen.
  2. Bei der Ist-Erhebung des heutigen Personalstands geht es nicht um die Analyse von Einzelpersonen, sondern um das Bilden sogenannter Jobfamilien (siehe Infobox 1). Je Jobfamilie werden einerseits klassische Kennzahlen herangezogen und gebündelt wie Alter, Eintrittsdatum, bekanntes Austrittsdatum, Beschäftigungsausmaß und Tätigkeit ebenso wie aktuelle und erwartete Fluktuation, Arbeitszufriedenheit und Motivation. Andererseits erfolgt die Erhebung von Kernkompetenzen, Skills und Qualifikationsniveaus pro Jobfamilie. Das Verwenden eines Kompetenzmodells kann hierbei die Standardisierung unterstützen.    

    Was sind Jobfamilien?
    Eine Jobfamilie besteht aus Funktionen gleichen Charakters mit artverwandten Tätigkeiten. Dabei werden diese stets unabhängig von Organigramm, Level oder Vergütung gebündelt, um ein nützliches neues Ordnungskriterium für die Organisation zu schaffen. Wichtig ist, dass sich Jobfamilien am Wertschöpfungsprozess orientieren und im Einklang mit den Kernprozessen stehen. Ziel ist eine Vereinfachung durch Reduktion der oft großen Zahl an Stellenprofilen auf eine handhabbare Menge an Jobfamilien. Das fördert die erfolgreiche Steuerung einer Organisation und unterstützt Unternehmer:innen bei der Standardisierung des HR-Managements sowie bei der Schaffung von Transparenz und Vergleichbarkeit.

  3. Im nächsten Schritt erfolgt die Ermittlung des Soll-Bilds. Es entsteht eine Modellierung, welche Jobfamilien, Kompetenzen und Skills künftig benötigt werden. Das Gestalten von Zukunftsszenarien ist einer der wesentlichen Aspekte der strategischen Personalplanung. Hilfreich ist es, klar definierte Rollenprofile innerhalb der Jobfamilien zu beschreiben. Dies unterstützt nicht nur dabei, ein konkretes Bild über die benötigten Stellen und Kompetenzen zu zeichnen, sondern vereinfacht später auch das Suchen nach den richtigen Talenten und sorgt dafür, dass diese nachhaltig passend eingesetzt und vergütet werden. 

    Unsere Empfehlung: Sprechen Sie mit den Mitarbeitenden und Expert:innen aus den jeweiligen Jobfamilien und fragen Sie diese nach deren Einschätzung hinsichtlich des künftigen Bilds Ihrer Tätigkeit. Außerdem ist das Beobachten von Trends am Markt oder bei Kund:innen sowie ein Blick auf wissenschaftliche Studien sinnvoll, um ein möglichst realitätsnahes Zukunftsbild zu erhalten. So können Sie die gesammelten Informationen strategisch nutzen und entscheiden, welche Jobfamilien und Kompetenzen an Bedeutung gewinnen oder verlieren.

    Hilfreiche Fragen bei der Erarbeitung des Soll-Bilds:
    Unternehmenskultur: Kennen wir unsere heutige Kultur und wie soll diese morgen aussehen? Welche Veränderungen sind notwendig? Kompetenzmodell: Was braucht das Unternehmen? Was brauchen Mitarbeitende? Stellenbewertung und Organisationsstruktur: Welche Rollen gewinnen an Bedeutung? Was verändert sich an unserer Struktur? Performance Management: Führen unsere Karrierepfade und Entwicklungsmaßnahmen zum Ziel? Vergütung: Was zeichnet attraktive Vergütungspakete und Benefits aus? Was erwarten Mitarbeitende heute und künftig?

  4. Verglichen wird nun die derzeitige Belegschaft und deren Kompetenzen mit denen, die in der Zukunft benötigt werden. Hier wird aufgedeckt, wo es Defizite und möglicherweise Überschüsse gibt. Der Bedarf an Kompetenzen und Skills kann sinnvoll kategorisiert werden, gegebenenfalls im Abgleich mit bestehenden Karriere- und Entwicklungspfaden. Auf Basis dieser Soll-Ist-Analyse werden im letzten Schritt passende Maßnahmen abgeleitet.
     
  5. Für die Erarbeitung von konkreten Maßnahmen eignen sich Workshops mit den Verantwortlichen der strategischen Personalplanung und relevanten Schlüsselpersonen. Überlegen Sie sich, welche Maßnahmen Abhilfe in Bezug auf die aufgedeckten Diskrepanzen schaffen. Dabei sollten die zu setzenden Schritte eindeutig definiert sein und Punkte wie Vorgehensweise, betroffene Jobfamilien, Verantwortliche, erwartete Dauer und Zielerreichung umfassen.

Ein Beispiel: Oftmals scheinen sich Unternehmen in der ständigen Suche nach neuen und besseren Talenten am Arbeitsmarkt zu verlieren. Dabei würde oft der Blick nach innen helfen. Denn die eigene Belegschaft kann in vielen Fällen die Antwort auf die Frage nach neuen Kompetenzen sein: In jedem Unternehmen stecken schlummernde Potenziale. Wenn Sie definiert haben, welche Kompetenzen Sie in Zukunft benötigen, können Sie sich im ersten Schritt intern auf die Suche nach passenden Kandidat:innen machen und die Mitarbeitenden dahingehend weiterentwickeln. Dies ist nicht nur kostengünstiger als eine externe Stellenbesetzung, sondern stärkt auch die Mitarbeitenden-Bindung aufgrund spannender Entwicklungsmöglichkeiten.
 

Rolle der Entlohnung als Motivationsfaktor

Neben den oben erwähnten Maßnahmen können und sollten auch Überlegungen zum Thema Entlohnungsmodelle angestellt werden. Ganz nach dem Motto „Geld erzeugt nicht notwendigerweise Motivation - stimmt jedoch die Bezahlung nicht, entsteht zwangsläufig Demotivation“ darf die strategische Personalplanung diese Komponente nicht außer Acht lassen. Neben einem kollektivvertraglichen Grundgehalt als Mindestvoraussetzung und etwaiger Sonderzahlungen sowie gegebenenfalls variabler Vergütungskomponenten stehen auch alternative Optionen zur Verfügung, die dem:der Dienstnehmenden gegenüber Wertschätzung ausdrücken und gleichzeitig die Attraktivität des:der Arbeitgebenden erhöhen. Eine ganze Reihe von Benefits können abgabenfrei und zum Teil steueroptimierend gewährt werden, z.B. Gewinnbeteiligung, Essenszuschuss, Öffiticket, Gutscheine, Teamevents, Home Office und Gleitzeit.


1) Jäger et al. 2017 

2) Market Guide for Workforce Management Applications, 2021.

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