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BREXIT und STEUERN - Was kommt jetzt?

21 Juli 2016

Am 23. Juni 2016 hat eine knappe Mehrheit der Bürger des Vereinigten Königreichs dafür gestimmt, die EU zu verlassen ("Brexit"). Kürzlich wurde eine neue, Brexit-freundliche Regierung angelobt, die nach Angaben eines ihrer Mitglieder einen EU-Austritt zum Jahresbeginn 2019 anstrebt.

Die tatsächlichen Folgen sind im Moment noch nicht festzustellen, da die konkreten Auswirkungen vom genauen Zeitpunkt und den ausgehandelten Bedingungen des Austritts abhängen. Ein Brexit könnten jedoch zahlreiche Konsequenzen für die steuerliche Behandlung von Geschäftsbeziehungen mit britischen Unternehmen haben. Im Bereich der Unternehmenssteuern sind drei wesentliche Folgen festzustellen:

1)    Indirekte Steuern

Im Bereich der indirekten Steuern kommt es zu Veränderungen bei der bereits EU-weit harmonisierten Umsatzsteuer. Mit Verlassen der EU ist das Vereinigte Königreich nicht mehr an die sog. EU Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie gebunden. Demnach ergeben sich erhebliche Konsequenzen für die steuerliche Behandlung von Exporten und Importen aus grenzüberschreitenden Umsätzen von EU-Mitgliedstaaten in das Vereinigte Königreich und umgekehrt. Andererseits ist das Vereinigte Königreich nicht weiter an die Festlegung von Steuerbefreiungen oder ermäßigten Sätzen bei der Umsatzsteuer gebunden. 

Zollgebiet der EU

Aufgrund der Warenverkehrsfreiheit werden innerhalb des Zollgebiets der EU weder Ein- und Ausfuhrzölle erhoben, noch werden diese zollamtlich überwacht. Durch den Austritt aus der EU ergibt sich die zentrale Herausforderung für Unternehmen, dass Ein- und Ausfuhren zwischen dem Vereinigten Königreich und EU-Mitgliedstaaten nicht länger als innergemeinschaftliche Lieferungen gelten. Dadurch werden Warenbewegungen  grundsätzlich zollabgabepflichtig, abhängig von den bis dahin mit der EU vereinbarten Handelsabkommen. Im Zuge der Einfuhr der Waren von einem EU-Mitgliedstaat in das Vereinigte Königreich kommt es nicht mehr zur Erwerbsbesteuerung durch den Kunden, die bei voller Vorsteuerabzugsberechtigung zu keinen Cash-Flow Nachteilen führt. Stattdessen wären Importe zu deklarieren, die Zollkontrollen und Einfuhrabgaben unterliegen. Aufgrund der Zeitspanne zwischen der Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer und der Berechtigung zum Vorsteuerabzug wäre Importeure mit Liquiditäts-Nachteilen konfrontiert.

Handelsabkommen mit Nicht-EU-Ländern

Großbritanien ist derzeit, durch die EU-Mitgliedschaft, in 34 Handelsabkommen integriert, wodurch der vorteilhafte Zugang zu 53 Nicht-EU Märkten gewährt wird. Diese Abkommen müssen bei einem EU-Austritt neu ausgehandelt werden. Dies ist kein einfaches Verfahren und kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Solange Großbritanien keine neuen Handelsabkommen geschlossen hat, verliert die Nation die jetztigen vorteilhaften Zollsätze, die einem EU-Mitgliedstaat zustehen. 

2)    Verbrauchsteuern und Zölle

Derzeit werden die geltenden Zollsätze für eingeführte Waren in das Vereinigte Königreich von der EU Kommission festgelegt. Bei einem EU-Austritt fällt diese Aufgabe wieder in den Zuständigkeitsbereich des Vereinigten Königsreichs, sodass eigene Zollsätze festgelegt werden können. Das Vereinigte Königreich kann Zollsätze der EU übernehmen oder produkt- bzw. branchenspezifische Änderungen vornehmen. Da Vereinigtes Königreich bisher Einwände gegenüber dem Unionszollkodex hatte, sind Abweichungen vom EU-Zollrecht denkbar. 

Besondere Verbrauchsteuern werden von jedem Mitgliedstaat autonom festgelegt, unter Berücksichtigung der EU-Richtlinien. Demnach wird der Austritt aus der EU grundsätzlich keine Auswirkungen für britische Verbrauchsteuer- bzw. Umsatzsteuersätze zur Folge haben.

Bewegungen verbrauchsteuerpflichtiger Waren zwischen Großbritannien und EU-Mitgliedstaaten werden, abhängig von etwaigen Abkommen, Ein- und Ausfuhrregelungen unterliegen. Die Importe aus dem Vereinigten Königreich verlieren an Attraktivität, wenn für die Importe aus dem Vereinigten Königreich zu beziehen.

3)    International Tax

Das Vereinigte Königreich wird vom Anwendungsbereich der zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes umgesetzten maßgeblichen Richtlinien (Mutter-Tochter-Richtlinie; Zins- und Lizenzgebührenrichtlinien; Fusionsrichtlinie) ausgeschlossen. Hieraus folgt, dass bei grenzüberschreitenden Geschäftsvorgängen wieder Quellensteuern auf Dividenden, Zinszahlungen sowie Lizenzgebühren anfallen, die zuvor auf Basis der EU-Richtlinien unter Beachtung bestimmter Mindestbeteiligungsquoten beseitigt worden waren. Dies gilt für entsprechende konzerninterne Zahlungen von Mitgliedstaaten der EU an Empfänger im Vereinigten Königreich und umgekehrt. Die daraus resultierende Höherbesteuerung kann nur dadurch verhindert werden, dass das Vereinigte Königreich neue bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen mit sämtlichen EU-Mitgliedstaaten aushandelt und hierbei Vorschriften in Analogie zu den EU-Richtlinien umsetzt.

Sofern Unternehmer Wirtschaftsgüter in eine Betriebsstätte im Vereinigten Königsreich übertragen wollen bzw bereits übertragen haben, kann die Besteuerung der darin enthaltenen stillen Reserven nicht mehr aufgeschoben werden. Auch beim Wegzug von Österreich nach Großbritannien kann grundsätzlich kein Besteuerungsaufschub für Kapitalanteile beantragt werden. 

Im derzeitigen DBA mit Großbritannien ist wenigstens eine umfassende Regelung über den Informationsaustausch enthalten, so dass immer dann, wenn Österreich das Vorliegen einer "umfassenden Amtshilfe" (zB beim Einbezug von ausländischen Tochtergesellschaften in die Gruppenbesteuerung) verlangt, künftig keine Schlechterstellung erfolgt. 

Handlungsbedarf für österreichische Unternehmen

Österreichische Unternehmen müssen im Zusammenhang mit dem Brexit insbesondere folgende Bereiche beachten:

  • Lieferungen an britische Unternehmer sind künftig nicht mehr als innergemeinschaftliche Lieferungen, sondern als Ausfuhrlieferungen zu behandeln.
  • Warenbezüge von britischen Unternehmen stellen künftig keine innergemeinschaftliche Erwerbe mehr. Sie müssen in der EU der Einfuhrverzollung unterzogen werden, und zwar entweder in Österreich oder an der EU-Außengrenze.
  • Österreichische Unternehmer, die Waren von den britischen Unternehmen kaufen bzw. Waren an die britischen Unternehmen verkaufen, müssen daher ihre ERP-Systeme entsprechend anpassen.
  • Einfuhr- und Aufuhrzollanmeldungen für Warenbewegungen zwischen  dem Vereinigten Königsreich und EU-Mitgliedstaaten werden erforderlich. Diese Aufgabe wird gewöhnlich einem Spediteur oder einem Zollagenten übertragen, was zusätzliche Kosten verursacht.
  • Die Vereinfachungsregelungen der EU Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (wie beispielsweise die Vereinfachungsregelung für Dreieckgeschäfte oder Konsignationslager) werden nicht länger anwendbar. Die Umsatzsteuerliche Behandlung der Lieferbeziehungen (insbesondere Reihengeschäfte), in denen auch britische Unternehmen involviert werden, müssen überprüft und neu evaluiert werden. Für österreichische Unternehmen, die derzeit ein Konsignationslager im Vereinigten Königsreich halten, kann sich eine umsatzsteuerliche Registrierungspflicht im Vereinigten Königreich ergeben.
  • Lizenzzahlungen von britischen verbundenen Unternehmen (Beteiligung über 50%) könnten künftig der Quellensteuer von 10% unterliegen. Die Quellensteuerpflicht von 5% bzw. 15% kann sich auch bei Dividenendenzahlungen an britische Gesellschafter ergeben.
  • Es kann kein Besteuerungsaufschub beantragt werden, wenn Wirtschaftsgüter in eine Betriebsstätte im Vereinigten Königsreich übertragen werden.

Die derzeitige EU-Gesetzgebung bleibt bis zum Austritt Großbritanniens aus der EU gültig. Es sind also während des voraussichtlich zweijährigen Austrittsverfahrens keine Änderungen im Bereich Steuern zu erwarten. Wir werden Sie über den weiteren Verlauf des Austrittsverfahrens informieren. Gerne stehen wir Ihnen zur Erörterung von Einzelfragen, die Ihr Unternehmen betreffen zur Verfügung.