Richtlinienentwurf für einheitliche Verrechnungspreisregelungen in der EU ab 2026

Die Europäische Kommission hat am 12.9.2023 einen neuen Richtlinienentwurf zur europaweiten Harmonisierung der Verrechnungspreisregelungen veröffentlicht. Die Bestimmungen sollen ab dem 1.1.2026 gelten. Eine Vereinheitlichung von Verrechnungspreisregelungen wäre grundsätzlich zu begrüßen. Es ist jedoch fraglich, ob diese mit dem vorliegenden Richtlinienentwurf tatsächlich erreicht werden kann.  
Zielsetzung des Richtlinienentwurfs ist es, durch eine Vereinheitlichung der Verrechnungspreisvorschriften innerhalb des Binnenmarkts zu einer erhöhten Rechtssicherheit beizutragen. Eine Reduktion der Verrechnungspreisstreitigkeiten und der damit verbundenen Verständigungsverfahren zwischen den EU-Mitgliedstaaten soll insbesondere durch folgende wesentliche Punkte erreicht werden: 
  • Aufnahme des Fremdvergleichsgrundsatzes in das Unionsrecht
  • Einheitliche Definition des Begriffs „Verbundene Unternehmen“
  • Klarstellung der Rolle und des Status der OECD-Verrechnungspreisleitlinien (OECD-VPL)
  • Beschleunigtes Verfahren zur Gegenberichtigung
  • Vereinheitlichung der Anforderungen an Jahresendanpassungen
  • Schaffung der Möglichkeit innerhalb der EU gemeinsame verbindliche Vorschriften über bestimmte Verrechnungspreisthemen zu erlassen (z.B. Safe Harbours)
  • Einrichtung einer Sachverständigengruppe (Nachfolge Joint Transfer Pricing Forum) zur Erörterung und Abstimmung der Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes
  • Möglichkeit der Kommission zur Einführung einheitlicher Anforderungen an Verrechnungspreisdokumentationen

Hintergrund für den Richtlinienvorschlag scheint primär die aktuelle Judikaturlinie der Europäischen Gerichtshöfe zum Nichtvorliegen eines für den Bereich des EU-Beihilfenrechts einheitlichen Fremdverhaltensgrundsatzes zu sein.  
Im Folgenden haben wir die wesentlichen Punkte bzw. Problemfelder des Richtlinienvorschlages für Sie zusammengefasst: 

Einheitliche Definition verbundener Unternehmen 

Nach Artikel 9 („Verbundene Unternehmen“) des OECD-Musterabkommens sind grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle zwischen verbundenen Unternehmen eines multinationalen Konzerns auf der gleichen Grundlage wie Geschäftsvorfälle zwischen fremden Dritten unter vergleichbaren Umständen zu bepreisen. Der RL-Entwurf sieht nun eine eigenständige Definition der verbundenen Unternehmen vor, die weiter gefasst ist als jene des OECD-Musterkommentars. Vereinfacht soll eine mehr als 25%-Beteiligung an der Geschäftsleitung oder Kontrolle zu einer Verbundenheit führen. Auch ein Verwandtschaftsverhältnis soll zu einer Verbundenheit führen. Diese weite Definition kann insbesondere erhöhten Dokumentationsaufwand bedeuten. 

Anpassung der Betriebsstättengewinnabgrenzung 

Auch Betriebsstätten sollen verbundenen Unternehmen gänzlich gleichgestellt sein, was eine Abkehr vom in Österreich angewandten sog. AOA light darstellt. Nach dem AOA light sind beispielsweise Lizenz- oder Zinszahlungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte derzeit nicht möglich.  

Gegenberichtigungsverfahren 

Auf Antrag des:der Steuerpflichtigen soll für „eindeutige Fälle“ ein Schnellverfahren für die Gegenberichtigung zur Anwendung kommen. Innerhalb von 30 Tagen nach Antragstellung hat die zur Gegenberichtigung aufgeforderte Behörde über die Zulässigkeit des Antrags zu entscheiden und ggf. weitere Unterlagen nachzufordern. Das Verfahren muss innerhalb von 180 Tagen abgeschlossen werden (begründete Stattgabe oder Ablehnung des Antrags). Sollte der Fall nicht als eindeutig qualifiziert werden, steht der Weg zu einem regulären Verständigungsverfahren offen.  

Jahresendanpassungen (Year End/Compensating Adjustments)

Der RL-Entwurf sieht weiters eine Vereinheitlichung der Anforderungen für Jahresendanpassungen vor, die insbesondere zur Erreichung von Zielmargen im Vertrieb eingesetzt werden: 
•    Hinreichendes Bemühen vor Buchung des Year End Adjustments zu einem fremdvergleichskonformen Ergebnis zu gelangen
•    Anpassung in allen betroffenen Mitgliedstaaten auf symmetrische Weise 
•    Konsistente Anwendung des Korrekturansatzes im Zeitablauf
•    Vornahme der Anpassung vor Abgabe der Steuererklärung 
•    Der:die Steuerpflichtige kann erklären, weshalb die Prognose dem erzielten Ergebnis nicht entspricht

Der Richtlinienentwurf erscheint etwas unglücklich formuliert. Eine symmetrische Anpassung sollte jeweils nur in den beiden betroffenen Mitgliedstaaten erfolgen und weiters wirkt die Forderung, dass Steuerpflichtige erläutern können müssen, weshalb die Prognose vom realisierten Ergebnis abweicht, überschießend. 

Fremdüblichkeitsbandbreite und Mediankorrektur 

Anders als die OECD-VPL, die nur ausführen, dass eine Einschränkung einer Bandbreite von fremdüblichen Ergebnissen auf die sog. interquartile Bandbreite bei eingeschränkter Vergleichbarkeit ein geeignetes Mittel zur Verbesserung der Vergleichbarkeit darstellen kann, schreibt der Richtlinienentwurf der EU nun generell verpflichtend die Anwendung der interquartilen Bandbreite als Standard vor. Die Finanzverwaltung darf weiters Anpassungen innerhalb der interquartilen Bandbreite vornehmen, wenn eine bestimmte abweichende Positionierung innerhalb der Bandbreite angesichts der Gegebenheiten und Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt ist. Bei einem Wert außerhalb der Bandbreite sieht der Richtlinienentwurf eine Anpassung auf den Median vor (es sei denn, eine abweichende Positionierung erscheint wiederum erwiesenermaßen gerechtfertigt). Diese Regelungen stellen massive Verschärfungen dar.  

Fazit 

Es bleibt zu hoffen, dass der gegenständlich vorliegende Entwurf noch wesentliche Abänderungen erfährt. Aktuell wird er dem erklärten Ziel der Vereinfachung noch nicht gerecht. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Inkrafttretensdatum mit 1.1.2026 ist ebenfalls sehr ambitioniert. 
Wir halten Sie hinsichtlich der weiteren Entwicklung am Laufenden!
Autor:innen: 
Christina Höchtl 

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Marco Szvitlak 

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