VwGH zur Übertragung stiller Reserven bei Privatstiftungen

VwGH: Übertragung stiller Reserven bei Privatstiftung iSd § 13 Abs 4 KStG im Rahmen einer Kapitalerhöhung an einer bereits bestehenden, 100-%-Tochtergesellschaft nicht (mehr) möglich.

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 17.11.2022, Ra 2021/15/0053 die Übertragbarkeit stiller Reserven bei Privatstiftungen (§ 13 Abs 4 KStG) eingeschränkt: Voraussetzung für eine “stille Reserven”-Übertragung ist der Erwerb einer zusätzlichen Beteiligung von mehr als 10 %. Eine Kapitalerhöhung an einer bereits bestehenden, 100-%-Tochtergesellschaft ist nicht ausreichend (kein "zusätzlicher" Erwerb von über 10 % der Anteile). Voraussetzung für die Übertragung auf ein geleistetes Agio ist, dass es geleistet wird, um den über das Nominale hinausgehenden höheren Wert des Anteils abzugelten; ein Zuschuss in Form eines Agios ist nicht begünstigt. Der VwGH ist damit (deutlich) restriktiver als die Finanzverwaltung (Beispiel in StiftR 2009 Rz 117 zur Kapitalerhöhung an 100 %-Tochter der Privatstiftung).

 

Sachverhalt 

Eine Privatstiftung veräußerte im März 2008 100% der Anteile an einer Aktiengesellschaft und übertrug die stillen Reserven auf eine Rücklage gemäß § 13 Abs 4 KStG. Im Jänner 2009 hat die Privatstiftung 100% der Anteile an der F-GmbH erworben. Am Tag des Anteilserwerbes wurde eine ordentliche Kapitalerhöhung in Höhe von EUR 35.000 auf EUR 1.000.000 vorgenommen und ein Agio in Höhe von EUR 10.200.000 zugesagt. In der Folge wurden die stillen Reserven aus der Veräußerung der Aktien auf die Anschaffungskosten der F-GmbH inklusive des Agios übertragen.

Das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht (10.12.2020, RV/4100845/2015; Entscheidung wurde nicht veröffentlicht) versagten die Übertragung der stillen Reserven auf das Agio mit folgender Begründung: Das Agio sei im gegenständlichen Fall geleistet worden, um im Zuge des Anteilserwerbs eine bestehende nicht werthaltige Tochtergesellschaft der Privatstiftung mit Kapital auszustatten. Außerdem sei mittels von “im Kreis geschickten” Darlehen an verschiedene Gesellschaften, die zum Teil bei der F-GmbH im gleichen Jahr wertberichtigt wurden, das Agio binnen kurzer Zeit wieder an die Privatstiftung zurückgezahlt worden. Im Revisionsfall liege Missbrauch im Sinne des § 22 BAO vor, weil das Agio der F-GmbH nicht dauernd betrieblich gewidmet gewesen sei, sondern über diverse Darlehensvergaben innerhalb kürzester Zeit wieder an die Muttergesellschaft (Privatstiftung) zurückgeflossen sei. Es sei kein wirtschaftlicher Grund dafür erkennbar, die F-GmbH mit einem Agio in Höhe von über EUR 10 Mio auszustatten, nur damit die F-GmbH binnen weniger Tage denselben Betrag über Darlehenskonstruktionen wieder an die Muttergesellschaft (Privatstiftung) zurückzahlen könne.

Der VwGH (17.11.2022, Ra 2021/15/0053) wies die dagegen vorgebrachte Revision als unbegründet ab und rechtfertigte dies wie folgt: Gemäß § 13 Abs. 4 KStG können durch eine Veräußerung von Beteiligungen aufgedeckte stille Reserven auf eine im Veräußerungsjahr angeschaffte Beteiligung übertragen werden. Voraussetzung ist, dass damit ein Anteil von mehr als 10% an der Körperschaft erworben wird. Eine Übertragung der stillen Reserven ist auch zulässig, wenn eine Tochtergesellschaft durch die Privatstiftung neu gegründet wird. Gleiches gilt in der Regel auch, wenn eine ordentliche Kapitalerhöhung bei einer Gesellschaft erfolgt und die Privatstiftung durch eine solche einen mindestens 10%igen Anteil an der Körperschaft (zusätzlich) erwirbt. Im Revisionsfall hat die Privatstiftung im Jahr 2009 eine 100% Beteiligung an der F-GmbH erworben. In der Folge wurde eine Kapitalerhöhung inklusive eines Agios durchgeführt, nach der die Privatstiftung weiterhin mit 100% beteiligt war. Ob das geleistete Agio, das nicht gewährt wurde, um den über das Nominale hinausgehenden, höheren Wert des Anteils abzugelten, sondern einen zusätzlichen Kapitalzuschuss der 100% Gesellschafterin zu geben, in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Gesellschafterzuschuss angesehen werden müsste, kann dahinstehen, weil im Revisionsfall in beiden Fällen eine Übertragung der stillen Reserven nicht zulässig ist. Im Fall einer Kapitalerhöhung durch die 100%ige Alleingesellschafterin, die nur von ihr gezeichnet werden soll, liegt weder eine Änderung des Beteiligungsausmaßes noch ein Erwerb einer zusätzlichen 10%igen Beteiligung vor. Durch die Kapitalerhöhung hat die Revisionswerberin keinen zusätzlichen Anteil an ihrer Tochtergesellschaft (F-GmbH) von über 10% erworben, weil sie bereits zu 100% an der Gesellschaft beteiligt war. Es wurden somit keine neuen Anteile in Höhe von über 10% im Sinne des § 13 Abs. 4 KStG angeschafft, weshalb die Kapitalerhöhung nicht zu einer Übertragung stiller Reserven berechtigt. Da das Agio den neu ausgegebenen Anteilen zuzuordnen ist und im Revisionsfall zudem nicht im Ausgleich der Beiträge der verschiedenen Gesellschafter der Kapitalgesellschaft seine Ursache hat, kann auch keine Übertragung stiller Reserven auf das Agio erfolgen.

 

Fazit

Die Übertragung stiller Reserven aus Beteiligungsveräußerungen durch eine Privatstiftung erfolgte in der Vergangenheit oftmals auf andere 100%-Tochtergesellschaften in Form von Agios im Rahmen einer Kapitalerhöhung. Nach dieser VwGH-Entscheidung ist dies nicht mehr möglich. Die Rechtsansicht des VwGH ist damit wesentlich strikter als die bisherige Verwaltungspraxis (siehe Rz 117 StiftR 2009) und hat für die Praxis weitreichende Konsequenzen. Die weitere Vorgehensweise der Finanzverwaltung mit sog. “Altfällen” und die Schlussfolgerungen für zukünftige Übertragungen von stillen Reserven werden mit Spannung erwartet. Wir werden Sie darüber jedenfalls zeitnah informieren!

 

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