Wie die Lieferketten von morgen aussehen werden

Wenn man dieser Tage die Zeitung aufschlägt, kann man einem Thema nicht entkommen. Corona? Ja, das natürlich auch. Aber in diesem Fall sind Lieferketten gemeint. Oder genauer gesagt, die Unterbrechung derer.

 

Zahlen und Fakten

Die Pandemie hat unseren Blick auf Supply Chains verändert: Abhängigkeiten von Lieferanten wurden schmerzlich bewusst, als Produktion von heute auf morgen unmöglich wurde, als physische Distanz plötzlich wieder zum Problemfall wurde. Ein Umstand, der in unserer globalisierten Welt davor gerne als nichtexistent betrachtet wurde. Die Realität aber sieht anders aus. Ein Drittel der Importe Österreichs und der EU bergen im Falle von Handelsturbulenzen ein erhebliches Verfügbarkeitsrisiko, vor allem im Hightech- und Medizinbereich, wie eine Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche im Auftrag des Bundesministeriums herausfand. Besonders drastisch können Auswirkungen werden, wenn der Großteil der Importe nur aus einer Region stammt. Tatsächlich ist das der Fall bei der Volksrepublik China, aus der 49% der risikogefährdeten EU-Importe stammen.

Offshoring wurde bisher meist mit Kosteneinsparungen begründet. Produzieren im Ausland ist günstiger. Würde man die Risiken miteinpreisen – und dass Lieferschocks teuer sind, hat die Krise ausreichend gezeigt – würden sich auch regionale Standorte rechnen. Das Neuausloten von Lieferkettensystemen darf dabei aber nicht in Schwarz-Weiß-Denken abdriften. Sich vollkommen auf Lieferanten aus der eigenen Umgebung zu verlassen, führt nämlich genauso in eine ungesunde Abhängigkeit. Während der Pandemie war es innerhalb Europas etwa unmöglich, erforderliche Produktionskapazitäten schnell genug aufzubauen. Hier waren globale Wertschöpfungsketten der Lebensretter, die liefern konnten, als der Schock uns mit voller Wucht traf, weil er in anderen Regionen schon abschwächte.

 

Szenarioplanung

Wie sollen moderne Lieferketten nun also aussehen? Wird die schon lange angekündigte Rückbesinnung auf regionale Ressourcen tatsächlich stattfinden? Oder bleibt alles beim Alten? Mit diesen Fragen beschäftigen sich zurzeit Entscheidungsträger, allen voran die EU. Worauf auch immer sich diese einigen, klar ist, dass kommende Policies Unternehmen in den Lieferkettenentscheidungen von morgen beeinflussen werden. Und klar ist auch, dass die politischen Ziele entscheiden werden, wohin in Zukunft das Geld fließen wird. Das Policy Department for External Relations der EU hat sich dafür in der Szenarioplanung geübt.

Szenario 1

Unabhängig davon, dass die Pandemie uns Schwachstellen der globalen Beschaffung aufgezeigt hat, geht dieses Szenario ohnehin davon aus, dass Klimakrise und Green Transition zu kürzeren und regionalen Lieferketten führen wird. Das Szenario gründet sich auf tatsächlich implementierten EU Policies: Umweltexternalitäten, Maßnahmen für Circular Economy und Harmonisierung der nationalen Regulatorien werden Offshore-Produktion verteuern und Anreize zum heimischen Sourcing schaffen.

Szenario 2

Unsere Welt und Wirtschaft ist vernetzt und die Handlungen Europas abhängig von anderen Staaten, so auch von der systemischen Rivalität zwischen den USA und China. Dieses Szenario sieht es als notwendig an, dass sich die EU in diesem Kampf früher oder später positioniert. Am wahrscheinlichsten ist, dass sich die EU als unabhängige dritte Partei etablieren möchte und deshalb vermehrt auf strategische Autonomie achtet. Auch hier würden sich die Abhängigkeiten weg von einem globalen, hin zu einem regionalen Fokus verrücken. „Nearshoring“ würde zur verstärkten Zusammenarbeit mit Osteuropa und Nordamerika führen.

Szenario 3

Das dritte Szenario setzt auf Business as usual, gemischt mit einigen protektionistischen Maßnahmen. Auch diesem Szenario liegt eine EU-Strategie zu Grunde: Die Industrie-Strategie spricht sich dafür aus, Abhängigkeiten in Zukunft besser im Blick zu behalten und Kapazitäten aufzubauen. Man setzt auf einen Mix aus diversifizierten internationalen Lieferanten, gemeinsam mit gesteigerter Bevorratung, um die Autonomie zu gewährleisten. Free Trade Agreements stehen immer noch im Fokus, absichern gegen Abhängigkeiten will man sich mit Standardisierungsmaßnahmen in der Produktion, welche Produktverfügbarkeit erleichtern sollen.

 

Lieferketten von morgen

Hält man sich vor Augen, dass zwei dieser Szenarien auf echten Strategiepapieren basieren, zeigt sich erneut, dass die Lieferketten von morgen nicht schwarz-weiß sein werden. Globale Beschaffung wird auch in Zukunft Realität sein, während die EU gleichzeitig die eigene Autonomie stärkt. Free Trade und Regionalität können koexistieren. Wie? Indem man die verteufelten Abhängigkeiten minimiert und sich durch second, third und fourth sourcing absichert. Indem man Lieferketten spannt, wie Spinnweben, die nicht kollabieren, wenn ein Faden reißt.

Welche Marschrichtung die EU tatsächlich einschlägt, wird sich noch zeigen. Allein aufgrund des Green Deals wird aber ein Teil der Lieferketten regionaler werden. Unternehmen, die sich also auf ihre Wurzeln besinnen, tun nicht nur der Umwelt etwas Gutes, sondern steigern auch ihre Chancen auf Finanzierung.

 

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