Wie Stakeholder-Engagement zum Leak von EU-Dokumenten führte

Tick, tack. Hören Sie sie auch schon? Die Uhr, die gemächlich vor sich hin tickt, während Start-ups, Unternehmen und Forschende darauf warten, endlich Details über die Calls unter Horizon Europe zu erfahren? Das könnte sich jetzt ändern: Entwürfe der Work Programmes von kommenden Calls wurden geleakt!

Obwohl die Europäische Kommission diese erst im April der Öffentlichkeit vorstellen wollte, zirkulieren schon jetzt einige Dokumententwürfe auf den Websites von diversen Vereinigungen, Universitäten und Beratungsfirmen, die die EU in ihren Gestaltungsprozess miteinbezieht. Wieso das so eine große Sache ist?

Erstens beinhalten diese Entwürfe mögliche Inhalte von zukünftigen Ausschreibungen, was Planungssicherheit schafft. Zweitens findet man darin Informationen über den (mehrstufigen) Bewerbungsprozess und den verlangten Aufbau von Anträgen und Projekt-Pitches, wodurch man schon heute beginnen kann sich vorzubereiten. Und drittens erwächst ein unfairer Wettbewerbsvorteil, wenn nur eine Handvoll Auserwählter verfrühten Zugang zu den Dokumenten hat. Gewisse Vereinigungen verschicken die Entwürfe nämlich bereits fleißig an ihre Mitglieder. Im zweiten Quartal werden immerhin schon die ersten Call-Deadlines erwartet. Und einige arbeiten auf diese bereits hin, während andere noch im Dunkeln tappen.

 

Das ist kein EU-Bashing

Nein, dieser Artikel zielt nicht darauf ab, die EU als böse Institution darzustellen, die einigen wenigen Akteuren geheime Dokumente zuspielt. So ist es nämlich nicht. Die Grundidee der EU ist mehr als valide, sie ist der einzige Weg, wie Horizon Europe tatsächlich Mehrwert schaffen kann: In die Gestaltungsprozesse von Calls werden Player der jeweiligen Branchen miteinbezogen. Das ist gut und wichtig, um einen Einblick in aktuelle Entwicklungen von verschiedenen Industrien zu gewinnen und damit Ausschreibungen da ansetzen, wo tatsächlich Geld benötigt wird. Problematisch wird das Ganze aber ab dem Punkt, an dem die Miteinbezogenen unveröffentlichte Entwürfe an Mitglieder oder Gutgesonnene verschicken und das Level Playing Field aller Einreichenden ordentlich zu kippen beginnt.

Solche Leaks passieren ja auch nicht alle Tage. Die EU ist eine transparente Organisation und der Hype um die unveröffentlichten Dokumente eigentlich nur deshalb so groß, weil wir vor dem Beginn der neuen Förderperiode Horizon Europe stehen. Schon vor dem Start von Vorgänger Horizon 2020 wanderten Entwürfe durch das Internet. Neugier ist schließlich menschlich.

 

Die große Bewährungsprobe

Die EU hat sich für die kommende Periode auf die Fahnen geschrieben, die Gesellschaft mehr in ihre Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen. Um dieses Stakeholder Engagement war die EU auch in der Konzeption von Horizon Europe sehr bemüht. Dass es hier zu keiner Bevorzugung einiger Big Player kommt, sondern dass auch Neueinsteiger eine Chance haben, wird die Bewährungsprobe der neuen Förderperiode werden. Schafft die EU es, einen Skaleneffekt zu generieren? Schafft sie es, die Innovationsleistung eines ganzen Kontinents zu steigern oder nur die einiger weniger Akteure? Eine breitmassige Steigerung des europäischen Innovationspotenzials ist unumgänglich, um in Zukunft mit China oder den USA mithalten zu können.

Die Dokumente, die nun schon vorliegen, können als Anhaltspunkt gesehen werden, für das was kommen wird. Dennoch hat die EU vollkommen recht damit, dass sie die Work Programmes nicht verfrüht mit der Öffentlichkeit teilen möchte. Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass essenzielle Punkte geändert werden und man aufs falsche Pferd setzt, wenn man schon jetzt konkrete Schritte macht. Wer dennoch einen Blick auf die Entwürfe werfen möchte, findet einige davon hier.

Ready, set, go!

Und was man von den Leaks auch halten mag, man sollte sie jedenfalls als Startschuss für die eigene Vorbereitung auf zukünftige Calls sehen. Und diese Vorbereitung sieht so aus, wie es diese Beiträge schon oftmals beschrieben haben: Werden Sie Teil des Netzwerks. Betreiben Sie Benchmarking, finden Sie Expertinnen und Experten in Ihrer Branche, die auch auf EU-Ebene aktiv sind. Halten Sie Sondierungsgespräche über mögliche gemeinsame Projekte. Finden Sie ihr Konsortium. Und wenn die Dokumente dann offiziell veröffentlicht und die ersten Calls eröffnet werden, werden Sie bereit sein. Tick tack.

 


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