Das Monster unter meinem Bett
Es lauert da unten, jeden Moment kommt es raus. Wenn ich drunter schau, sehe ich nichts. Aber kaum liege ich wieder unter meiner Decke, kann ich es spüren. Ich bin ganz sicher, es ist da. Nein nicht das Monster unter meinem Bett. Das Gespenst der Inflation unter der Oberfläche.
Ökonomen und Makroanalysten studieren die Wirtschaftszahlen und zerbrechen sich die Köpfe. Kommt sie oder kommt sie nicht? Wer weiß das schon? Auch Aktionäre blicken ängstlich in die Zukunft. Doch ist das sinnvoll?
"I have been through some terrible things in my life, some of which actually happened. // Ich habe in meinem Leben viel Schreckliches erlebt. Einiges davon ist sogar passiert."
Mark Twain bringt die Einstellung vieler Investoren damit auf den Punkt. Der weitaus bessere Weg ist es, sich unverletzlich zu machen. Mit rotem Umhang und einem großen „S“ auf der Brust sollten wir uns zur „Super-Aktionärin“ und zum „Super-Aktionär“ machen.
Werde Superman und Supergirl der Märkte
Wie schaffen wir das am besten? So wie Superman ein Mittel gegen das – ihn schwächende – Kryptonit1) finden muss, brauchen wir ein Mittel gegen die Inflation. Und kommt sie dann nicht, gewinnen wir. Sie kommt ein wenig, wir gewinnen. Sie kommt mit Vehemenz, wir gewinnen noch immer, nur etwas weniger und es dauert etwas länger.
Kennen Sie das gehässige Kompliment: „Ihre Kleidung ist zeitlos. Sie war noch nie modern.“ So ähnlich ist es mit der Inflation. Die errechneten Zahlen sind zeitlos, sie treffen auf niemanden zu. „Wohnen, Wasser, Energie“ ist der gewichtigste Teil des Warenkorbes. Das mag für die meisten stimmen, aber nicht für alle.
Wichtig für Menschen – die investieren wollen und können – ist die Vermögenspreisinflation. Steigen die Preise von Immobilien, Aktien, Anleihen, Gold, Kunst und Ähnlichem stark an, hat das wesentlich stärkere Auswirkung, als der immer günstiger werdende Computer oder der stabile Milchpreis.
Das Geld ist abgeschafft
Diese Vermögenspreisinflation war in den letzten Jahren signifikant. Und die COVID-19-Krise tut das ihre, um die Preise anzuheizen. Rund um den Globus werden große Unterstützungspakete geschnürt und die Notenbanken halten den Geldhahn offen. Allen voran der neue US-Präsident Joe Biden mit einem aktuell angekündigten Hilfspaket von 1,9 Billionen US-Dollar.
Wenn in Wien jemand nur so mit dem Geld um sich wirft, spricht man gerne davon, dass „das Geld abgeschafft ist.“ Das hängt ein wenig im kollektiven Hinterkopf. Man spürt, dass es der Kaufkraft des Euros und des Dollars nicht guttun kann, wenn enorme Geldpakete verteilt werden und die Verschuldung stark ansteigt.
Wer weiß schon, was die Zukunft bringt
Anstelle sich den Kopf zu zermartern, was wohl kommen wird, sollte man sich fragen, was kann ich jetzt tun? Die Standardantwort: In Realwerte investieren. Stimmt auch. Allerdings nicht zu jedem Preis. Der beste Vermögenswert, zu teuer gekauft, wird ein schlechtes Investment sein.
Aktien bleiben ein wichtiger Teil des Anlageuniversums. Kann man noch einsteigen, soll man schon aussteigen? Darauf habe ich leider keine Antwort. Darf ich einen anderen Zugang vorschlagen? Man sollte immer in Aktien investiert sein. In einem Ausmaß das man gut aushält. Market Timing – also rechtzeitig aus dem Markt heraus und in den Markt hinein – funktioniert nicht. Man kann Glück haben, so wie wenn man bei Rot über die Kreuzung fährt. Das macht es aber noch lange nicht sinnvoll.
Ich halte es mit Irving Kahn2), der sagte:
"There is always something to do. You just need to look harder, be creative, and be a little flexible. // Es gibt immer etwas zu tun, Sie müssen nur härter suchen, kreativ und flexibel sein."
Die Aussage: „Inflation ist gut für Aktien.“, stimmt nicht. Es kommt auf das Geschäftsmodell an. Die Preissetzungsmacht („Pricing Power“) ist sozusagen das Mittel gegen das Inflations-Kryptonit.
Wenn die Inflation stark anspringt, trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer kann die Preissteigerungen von Rohstoffen, Energie, Lohnkosten und Kapitalinvestitionen wirklich an die Kunden weitergeben und wer leidet unter Margendruck? Der Markt erkennt in seiner unendlichen Weisheit, welche Unternehmen das können und welche nicht. Entsprechend sind die Bewertungen.
Starke Marke und Unverzichtbares
Pricing Power, also die Möglichkeit Preise ohne große Umsatzverluste anzuheben, haben zum Beispiel starke Marken. Man denke nur an das iPhone, das mehr Profit macht, als alle anderen Smartphones zusammen. Obwohl der Umsatz nur ein Drittel des Gesamtmarktes ausmacht. Oder die Familie, die 99 Euro für das „Microsoft 365 Family“-Paket pro Jahr bezahlt. Kündigt sie Word, Excel, PowerPoint und Outlook, wenn der Preis auf 120 Euro angehoben wird? Wohl kaum. Hier verleiht die Mühsal des Produktwechsels den Schutz („Switching Costs“).
Besonders schlimm trifft es bei hoher Inflation kapitalintensive Geschäftsmodelle. Die abgeschriebenen Investitionen müssen irgendwann erneuert werden und werden dann durch die Inflation viel teurer. Kein schönes Szenario.
Ideal sind Geschäftsmodelle mit Produkten und Services die wichtig für ihre Kunden sind, aber finanziell nur einen geringen Teil des Gesamtbudgets ausmachen. Das kann das Design eines kleinen Chips in einem Smartphone sein oder auch ein zwingender Ersatzteil in einer großen Maschine.
Zusätzlich bieten sich Unternehmen aus den defensiven Sektoren Konsum und Gesundheit an. Aber Achtung, bei hoher Inflation weichen die Menschen auf günstigere Copycats also Nachahmer-Produkte aus. Beim innovativen Krebsmedikament ist das aber weniger zu befürchten.
Pricing Power und die Rettung in der Not
Zum Abschluss noch ein weiterer Versuch, Preissetzungsmacht zu erklären. Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie stehen im Abendkleid oder Frack bei strömendem Regen in ihrer Eingangstür und müssen in einer halben Stunde bei der Staatsoper sein. Anna Netrebko hat Sie in ihre Loge beim Opernball eingeladen (wenn Ihnen Richard „Mörtel“ Lugner lieber ist, auch gut). Ihr Taxifahrer hat jetzt richtig Pricing Power. Allerdings ist diese Macht aufgrund von Regulierung begrenzt – auch bei Geschäftsmodellen etwas, dass Fluch und Segen gleichzeitig sein kann.
Oder ein anderes Szenario: Sie bekommen in zehn Minuten das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen und haben sich gerade ein Glas Rotwein über das blütenweiße Hemd geschüttet. Wer Ihnen in den nächsten neun Minuten ein frisches Hemd besorgt, kann fast jeden Preis dafür verlangen. Pricing Power!
Beides sollen Sie erleben und das hoffentlich bald. Nicht den Regen und den Fleck. Ich wünsche Ihnen vielmehr einen Orden für das Bewältigen der Krise und eine rauschende Ballnacht.
1) Kryptonit ist ein fiktives Material und die Schwachstelle der Comicfigur Superman. Mittlerweile auch ein älterer Herr – falls er altert. Im Jahr 1938 trat er das erste Mal auf.
2) Irving Kahn war eine interessante Persönlichkeit. Er starb im Jahr 2015 im Alter von 109 Jahren. Mit 73 Jahren gründete er Kahn Brothers Group, Inc. mit seinen zwei Söhnen. Wunderbar, ich hab noch Optionen!
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