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BMF-Info vom 24.10.2018: BMF ändert Vorgehensweise hinsichtlich der Berücksichtigung nicht getilgter Verbindlichkeiten bei einer Liquidation nach § 19 KStG erneut

31 Oktober 2018

Das BMF änderte im Informationsschreiben vom 24.10.2018 (BMF-010203/0434-IV/6/2018) zum wiederholten Male ihre Rechtsansicht zur Frage der Berücksichtigung nicht getilgter Verbindlichkeiten im Falle einer Liquidation nach § 19 KStG. Hintergrund für die „neue“ Verwaltungsmeinung ist ein Urteil des OLG Wien (6.8.2018, 3 R 19/18p) zur insolvenzrechtlichen Einordnung von aufgrund des Wegfalls noch nicht getilgter Verbindlichkeiten entstandenen zusätzlichen Körperschaftsteuern.

Seit dem Salzburger Steuerdialog 2014 vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass bis zum Ende der Abwicklung nicht getilgte Verbindlichkeiten einer Kapitalgesellschaft bei der Ermittlung des steuerlichen Abwicklungs-Endvermögens iSd § 19 Abs 4 KStG nicht anzusetzen sind. Diese Rechtsansicht wird mit dem Wortlaut in § 19 Abs 4 KStG begründet, welcher das steuerliche Abwicklungs-Endvermögen als das "zur Verteilung kommende Vermögen" definiert. Nach Meinung der Finanzverwaltung ist mit der "Verteilung" die am Ende der Abwicklung erfolgende Verteilung des nach der Verwertung der Aktiva, dem Eingang der Forderungen und der Tilgung der Verbindlichkeiten noch vorhandenen Vermögens an die Anteilsinhaber gemeint. Vermögen, das am Ende der Abwicklung nicht an die Anteilsinhaber verteilt wird, kann nach dem Gesetzeswortlaut kein Bestandteil des Abwicklungs-Endvermögens sein. Die logische Konsequenz dieser Verwaltungsmeinung ist, dass nicht getilgte (und zivilrechtlich weiterbestehende) Verbindlichkeiten das steuerliche Liquidationsergebnis um jenen Wert erhöhen, mit dem sie im Abwicklungs-Anfangsvermögen enthalten waren. Wenn eine Gesellschaft am Ende der Liquidation noch immer "überschuldet" ist, beträgt das Abwicklungs-Endvermögen stets Null. Die Nichtberücksichtigung nicht getilgter Verbindlichkeiten im Abwicklungs-Endvermögen gilt nach Meinung der Finanzverwaltung unabhängig davon, ob die Liquidation innerhalb oder außerhalb einer Unternehmensgruppe iSd § 9 KStG erfolgt.

Für Insolvenzverwalter und die Beratungspraxis stellt sich seitdem die Frage nach der insolvenzrechtlichen Einordnung der aufgrund des Wegfalls noch nicht getilgter Verbindlichkeiten entstandenen zusätzlichen Körperschaftsteuer. Das BMF führte zu dieser Thematik in der Vergangenheit stets aus, dass es den ordentlichen Gerichten obliegt, ob es sich bei der Körperschaftsteuer, die durch die Nichtberücksichtigung nicht getilgter Verbindlichkeiten zusätzlich entsteht, um eine Masseforderung, eine Insolvenzforderung oder eine Forderung gegen das insolvenzfreies Vermögen handelt. Laut OLG Wien (6.8.2018, 3 R 19/18p) handelt es sich bei der aufgrund der nicht getilgten Verbindlichkeiten zusätzlich entstehenden Körperschaftsteuer um eine Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen. Dieser Anspruch wird in der Regel jedoch nicht durchsetzbar sein, weil ein insolvenzfreies Vermögen bei einer Kapitalgesellschaft zumeist nicht vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund ändert die Finanzverwaltung ihre bisherige Vorgehensweise bei Körperschaften, die nicht Teil einer Unternehmensgruppe nach § 9 KStG sind und im Rahmen eines Insolvenzverfahrens liquidiert werden.

Liquidation einer Körperschaft, die NICHT Teil einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG ist

Wird eine Körperschaft außerhalb eines Insolvenzverfahrens liquidiert, so ist das steuerliche Liquidationsergebnis, in dem die in dem die Auflösung nicht getilgter Verbindlichkeiten enthalten ist, um vorhandene Verlustvorträge zu kürzen. Auf das ermittelte Einkommen ist die Körperschaftsteuer festzusetzen.

Erfolgt die Liquidation der Körperschaft innerhalb eines Insolvenzverfahrens, dann hat die Berechnung des steuerlichen Liquidationsergebnisses grundsätzlich wie in Fällen außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu erfolgen. Nachdem es sich bei der aufgrund der nicht getilgten Verbindlichkeiten zusätzlich entstehenden Körperschaftsteuer aber um eine Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen handelt, wird der Anspruch in der Regel nicht durchsetzbar sein, weil ein solches Vermögen zumeist nicht vorhanden ist. Soweit daher aufgrund der zur Verfügung stehenden Unterlagen und durchgeführter Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Abgabenschuldner nicht durchsetzbar sein wird, weil kein insolvenzfreies Vermögen vorliegt, bestehen keine Bedenken, von der Abgabenfestsetzung gemäß § 206 BAO unter folgenden Voraussetzungen Abstand zu nehmen:

  • Die Abgabenfestsetzung erfolgt gegenüber einer Körperschaft, die nicht Teil einer Unternehmensgruppe nach § 9 KStG ist und im Rahmen eines Insolvenzverfahrens liquidiert wird und
  • bei der Abgabe handelt es sich um die zusätzlich entstehende Körperschaftsteuer - nach Verrechnung mit vorhandenen Verlustvorträgen und etwaigen Vorauszahlungen - aufgrund nicht getilgter Verbindlichkeiten.

Weiterhin unverändert bleibt die bisherige Rechtsansicht der Finanzverwaltung für Liquidationen von Gruppenkörperschaften (Gruppenträger oder Gruppenmitglieder).

Liquidation einer Körperschaft, die Teil einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG ist

Auf Gruppenmitgliedsebene führt die Auflösung noch nicht getilgter Verbindlichkeiten im Rahmen einer Liquidation – unabhängig davon, ob die Körperschaften innerhalb oder außerhalb eines Insolvenzverfahrens liquidiert werden – stets zu einer des steuerlichen Liquidationsergebnisses, welches in der Folge der ausreichend finanziell beteiligten Körperschaft zuzurechnen ist. Soweit im zusammengefassten Gruppenergebnis beim Gruppenträger Liquidationsgewinne des Gruppenmitglieds enthalten sind, ist die 75%-Vortragsgrenze gemäß § 8 Abs 4 Z 2 lit. b vierter Teilstrich KStG nicht anzuwenden. Auf das so ermittelte Gruppeneinkommen ist die Körperschaftsteuer festzusetzen.

Im Falle der Liquidation des Gruppenträgers wird die Unternehmensgruppe automatisch beendet. Die Festsetzung der Körperschaft hat im Falle der Liquidation des Gruppenträgers gleich zu erfolgen wie bei Körperschaften, die nicht Teil einer Unternehmensgruppe sind (siehe oben).

Wir empfehlen Ihnen die steuerlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen frühzeitig mit ihrem Steuerberater abzuklären. Unsere BDO-Insolvenzrechtsexperten stehen Ihnen dabei jederzeit gerne zur Verfügung!

Ernst Komarek
Senior Manager
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