Flexibilität vor Planungssicherheit

Interview mit Julia Leeb, Partnerin BDO, erschienen in Die Presse, am 18. Juni 2021

julia.leeb@bdo.at
+43 5 70 375 - 1540


 

BDO Partnerin und Finanzierungsexpertin Julia Leeb berichtet über die Herausforderung vieler Betriebe, ihre Liquidität angesichts der volatilen Bedingungen auf sichere Füße zu stellen, wie die Banken derzeit mit Kreditansuchen umgehen.

 

Welche Themen beschäftigen Ihre Kundinnen und Kunden aktuell am brennendsten?

Grundsätzlich begleiten wir Unternehmen aller Größen. Die zentralen Themen sind aktuell eindeutig Liquidität, Zukunftsplanung und die Aufrechterhaltung der Bonität, die eng miteinander verschränkt sind. Viele Betriebe stehen vor der Hausforderung, Liquidität sicherzustellen zu müssen und fragen sich gleichzeitig, wann der beste Zeitpunkt für den Start neuer Projekte und Investitionen sein könnte. Die Antwort ist ganz klar: Jetzt sofort! Man sollte sich keinesfalls dadurch verunsichern lassen, dass es in absehbarer Zeit keine Planungssicherheit wie vor Covid-19 geben wird. Flexibilität und die richtige Vorbereitung sind das A&O.

Im Beratungsalltag hören wir von unseren Kundinnen und Kunden immer wieder, dass sie für Finanzierungsgespräche zu Neuprojekten Klarheit in Sachen pandemiebedingte Rahmenbedingungen abwarten wollen. Wann und ob es diese absolute Planungssicherheit wieder geben wird, ist fraglich - aber es ist auch nicht notwendig, darauf zu warten.

 

Wie haben sich die Ansprüche der finanzierenden Banken durch die Pandemie verändert?

Die Erfahrung, dass sich die (wirtschaftliche) Situation im Land bzw. die Rahmenbedingungen weltweit sehr schnell und sehr grundlegend verändern können, sitzt tief. Infolgedessen wollen die Banken das Geschäftsmodell ihrer Kundin bzw. ihres Kunden noch besser verstehen. Aufgrund der in der Covid-Zeit gemachten Erfahrungen von Rohstoff- und Lieferengpässen zieht sich das gesteigerte Informationsbedürfnis über die gesamte Wertschöpfungskette und das wird sicher erhalten bleiben. Gleichzeitig geht es aber nicht darum, einen Finanzplan zu erstellen, der exakt so eintritt, wie er heute niedergeschrieben wird, das ist auch nicht die Erwartungshaltung der Banken. Ihr Fokus hat sich erweitert: Viel wichtiger als eine in Stein gemeißelte Finanzplanung ist es für die Banken, sich mit dem jeweiligen Geschäftsmodell auseinanderzusetzten, zu sehen, dass es die Kundin bzw. der Kunde kritisch hinterfragt und mit Abweichungen umgeht. Auch das Marktfeld sollte man noch detaillierter kennen als in der Vergangenheit sowie die Wertschöpfungskette, ihre Verlässlichkeit bzw. ggf. Anfälligkeiten. Diese tiefgreifende Analyse und das Durchdenken des eigenen Betriebs und all seiner Verflechtungen kommt im Alltag häufig zu kurz und wird von vielen Kundinnen und Kunden aber auch als sehr wertvoll erlebt. Für die Banken steht die Betrachtung unterschiedlicher Szenarien im Vordergrund, nicht die konkrete Treffsicherheit eines Finanzplans. Nicht selten ergeben sich daraus auch Ansätze zur Erweiterung bzw. Veränderungen von Geschäftsmodellen: Fast die Hälfte der österreichischen Unternehmen haben ihr Geschäfts-/Vertriebsmodell bereits angepasst. Die Anforderungen, die daraus entstehen, führen dann zu neuen Investitionsplänen und damit einhergehend zusätzlichem Liquiditätsbedarf.

 

Wie sieht Ihre Unterstützung für die Unternehmen aus?

Wir helfen unseren Kundinnen und Kunden natürlich nach wie vor bei der Erstellung von klassischen Business Plänen und Planrechnungen. Aus unserer eigenen langjährigen Bankerfahrung kennen wir die Betrachtungsweise und Sorgen der Risikomanager ganz genau und können unsere Kundinnen und Kunden daher optimal auf die Anforderungen der Banken vorbereiten. Dabei arbeiten wir gemeinsam die zentralen Stellschrauben des Unternehmens heraus, welche in der Risikobetrachtung der Banken ein erhöhtes Informationsbedürfnis verursachen und identifizieren gemeinsam die Handlungsalternativen, mit denen im Fall der Fälle nachjustiert werden kann. Wir erstellen verschiedene Szenarien der Geschäftsentwicklung in unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Diese Szenarioanalyse signalisiert der Bank nicht nur ein durchdachtes und nachhaltiges Konzept für den laufenden Betrieb, sondern auch die nötige Flexibilität, um angesichts der Volatilität der momentanen Situation verantwortungsvoll und wirtschaftlich sinnvoll agieren zu können. Neben der Schaffung bzw. Überprüfung der strategischen Grundlage und der Erstellung der Unterlagen, die die Bank fordert, begleiten wir die Unternehmen bei der Auswahl der für sie optimalen Finanzierungsinstrumente sowie der geeigneten Partner und sind auch an Gesprächen bzw. Verhandlungen beteiligt. Darüber hinaus gehen wir gemeinsam mit den Unternehmen in die Praxis und schauen uns an, wie die theoretischen Überlegungen konkret umgesetzt werden können.

Für die Zeit nach Corona und auslaufender Förderungen stehen viele Betriebe vor Liquiditätsherausforderungen. Die liquiden Mittel sind bereits aufgebraucht oder werden es innerhalb der nächsten Monate sein. Daraus ergibt sich rascher Handlungsbedarf, damit die Unternehmen für den wirtschaftlichen Aufschwung auch finanziell gerüstet sind. Finanzierungslösungen müssen flexibler gestaltet werden, da sie aktuell schwer planbar sind.

Der Liquiditätsbedarf im Working Capital, im Bereich der Betriebsmittel und auch bei kurzfristigen Finanzierungen hat sich in der Corona-Zeit aufgrund mehrerer Effekte erhöht: Kundinnen und Kunden zahlen schleppender, Lieferanten möchten ihr Geld schneller, Umsätze und Erträge waren rückläufig. Die Kombination daraus führt zu einer deutlichen Verschlechterung der Unternehmenskennzahlen, welche sich wiederum auf die Bonität des Unternehmens und somit die Kreditwürdigkeit auswirkt.

Die Verlagerung von klassischen Bankfinanzierungen zu alternativen Finanzierungsinstrumenten entlastet die Finanzierungslinien, die meistens angeschlagene Eigenkapitalquote und weitere Unternehmenskennzahlen. Sie stellen somit eine wichtige Diversifizierung in der eigener Bonitäts- und Liquiditätssteuerung dar. Wir können für Kundinnen und Kunden darstellen, welcher Liquiditätseffekt mit alternativen Finanzierungsformen erreicht werden kann und wie sich dieser auf die Kennzahlen auswirkt. Unserer Erfahrung nach ist es ein sehr positives Zeichen an die Banken, wenn die vorlegten Unterlagen bereits eine professionelle unabhängige Prüfung durchlaufen haben.

 

Und wenn die Bank trotzdem Nein sagt? Welche anderen Möglichkeiten gibt es?

Der Markt für alternative Finanzierungsinstrumente von Anbietern, welche in einem Mitbewerb zu den Banken stehen, wird zusehends wichtiger. Wir stehen laufend auch mit diesen Anbietern im Austausch, um einen aktuellen Überblick fundierter Finanzierungsmöglichkeiten aus dem Angebot der Banken und anderer Anbieter liefern zu können. Für viele Unternehmen ist es nicht mehr empfehlenswert, sich bei der Finanzierung rein auf Banken zu verlassen. Momentan sind beispielsweise Einkaufsfinanzierungen für Handelsposten wie Masken oder Tests sehr gefragt. Je nach Bedürfnis der Kundin bzw. des Kunden stellen wir einen maßgeschneiderten Finanzierungsmix in Bezug auf Finanzierungsinstrument, Laufzeit und sonstige Rahmenbedingungen zusammen.

 


Lesen Sie hier mehr über die BDO Finanzierungsberatung und wie Julia Leeb und Michael Grahammer Sie strategisch begleiten und unterstützen können. 

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