Trends und Herausforderungen

Die moderne Welt ist abhängiger denn je von einer zuverlässigen und effizienten Energieversorgung. Gleichzeitig wird als gegeben vorausgesetzt, dass Energie immer günstig sein muss. Seit der Ukrainekrise wissen wir, dass das keine Selbstverständlichkeit ist und Energie zum Luxusgut werden kann. Zur Eindämmung des Klimawandels, arbeiten wir fieberhaft daran, unseren Energiehunger zu dekarbonisieren. Diese Beispiele zeigen, dass es einen gesellschaftlichen Kraftakt braucht, um unser Energiesystem zukunftsfit und sicherzumachen. Die nachfolgenden Trends zeigen deutlich, dass die Anforderungen steigen und viele Aspekte am Weg in die Energiezukunft berücksichtigen werden müssen.

Energieversorgungsunternehmen (EVU) müssen sich auf Veränderungen in ihren klassischen Geschäftsbereichen Erzeugung, Handel, Netze und Vertrieb einstellen. Aber in welche Richtung müssen EVU konkret denken und agieren, damit sie am Markt weiter bestehen können und was müssen sie auf strategischer und operativer Ebene tun, um dort hinzugelangen? Diesen spannenden Fragen gehen wir in unserer fünfteiligen Blogserie „Energieversorger der Zukunft“ nach.

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Abbildung 1: Trends und Anforderungen im Energiebereich

 

Warum ist der Fokus auf Erneuerbare Energien entscheidend?

Starten wir mit dem Megatrend schlechthin: dem Ausbau der Erneuerbaren Energien. Dieser muss weiter vorangetrieben werden, um die vollständige Dekarbonisierung der Energieversorgung zu erreichen. Damit einher geht eine stärkere Dezentralisierung der Energieerzeugung. Dadurch werden Kund:innen vermehrt zu Prosumern. Sie beziehen nicht Strom, sondern produzieren diesen auch. Durch die Elektrifizierung des Mobilitäts- und Wärmesektors steigt der Energiebedarf z.B. durch Elektrolyse von Wasserstoff, E-Autos und die Umstellung fossiler Heizsysteme auf Wärmepumpen.

Der Strombedarf soll sich so bis 2040 gar verdoppeln.1) Um eine zuverlässige und wirtschaftliche Stromversorgung sicherzustellen, müssen EVU in der Lage sein, Erneuerbare Energien nicht nur in ihre Energienetze zu integrieren, sondern auch Schwankungen in der Energieproduktion und -nachfrage auszugleichen. Dazu braucht es eine effizientere Verteilung, Speicherung und erzeugungsorientierte Verwendung von Energie z.B. mithilfe Smart Grids und neuer Speichertechnologien und -kapazitäten sowie lastflexiblen Energieanwendungen.

Die Digitalisierung ermöglicht dank Big Data und IoT-Systemen (Internet of Things), wie z.B. Smart Meter, eine bessere Überwachung und Steuerung der Energieversorgung. Seit neuestem reiht sich ChatGPT als eines der spannendsten Tools in unserer Arbeitswelt ein. Gleichzeitig steigt das Risiko von Datenlecks und Cyberangriffen – auch im Kontext der Geopolitik – und den damit verbundenen Kosten stetig an. Als Konsequenz nehmen die technischen und regulatorischen Anforderungen in diesem Marktumfeld weiter zu. Aber nicht nur der IT-Bereich spielt eine immer größere Rolle, auch die Nachhaltigkeitsanforderungen stetigen immer weiter.

Der demografische Wandel erhöht den Druck in der Branche bei der Suche nach hoch qualifizierten Fachkräften weiter, verstärkt durch die kommenden Pensionierungen vieler Know-how Träger:innen. Gleichzeitig verändern sich die Arbeitsvorstellungen junger Menschen, die erstmal in den Arbeitsmarkt eintreten.
 

Der Strom kommt aus der Steckdose - Muss die Energiebranche ihr Geschäftsmodell neu überdenken?

Die aufgezählten Trends und Anforderungen wirken sich massiv auf die bestehenden Geschäftsmodelle der EVU aus. Um erfolgreich zu bleiben, müssen sich diese nicht nur auf den Übergang zu Erneuerbaren Energien konzentrieren, sondern auch auf die Digitalisierung und Steigerung der Energieeffizienz. EVU, die dies nicht tun, werden wahrscheinlich hinter der Konkurrenz zurückbleiben. Diese Veränderungen erfordern eine gezielte Anpassung der klassischen Geschäftsmodelle an neue Innovationen. Dies erfordert zwar hohe Investitionen, bringt aber enorme Chancen und Potenziale mit sich. Folgende Innovationen und Geschäftsmodelle haben sich bereits herauskristallisiert und sind für jeden Bereich nachfolgend skizziert.

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Abbildung 2: Neue Innovationen und Geschäftsmodelle für Energieversorgungsunternehmen

 

Um die hohe Versorgungssicherheit weiter zu gewährleisten, werden EVU sowohl in die dezentrale erneuerbare Erzeugung als auch in große, zentrale Anlagen investieren müssen. Um Schwankungen im Netz ausgleichen zu können, wird die Vernetzung der dezentralen Anlagen mit Prosumern und Speichern zu virtuellen Kraftwerken eine große Rolle spielen.

Im Handel setzen EVU in Zukunft vermehrt auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Big Data, um so den Energiebedarf ihrer Kund:innen genauer zu prognostizieren und das Risiko von Fehlentscheidungen zu minimieren. Intelligente Netze und Speichertechnologien werden entwickelt, um eine effiziente, sichere und zuverlässige Stromversorgung zu gewährleisten und gleichzeitig die wachsende Nachfrage nach Energie zu bedienen.

Die effektive Nutzung der Blockchain-Technologie wird Transaktionen im Netz vereinfachen und automatisieren. Die Digitalisierung wird die Netzoptimierung durch Datenaustausch und Steuerung an das physikalische Limit treiben. Das Produktportfolio wird um intelligente und nutzungsbasierte Stromtarife (z.B. Pay-per-Use), digitale Services, Smart Home-Lösungen, E-Mobilitätsdienstleistungen, Wärmepumpen-Systeme oder Telekommunikationslösungen erweitert. Im Vertrieb werden EVU bestimmte Produkte und Dienstleistungen nur noch über digitale Kanäle (z.B. Social Media) anbieten und auf personalisierte Angebote setzen, um die Bedürfnisse ihrer Kund:innen besser zu erfüllen.

Insgesamt werden die neuen Geschäftsmodelle geprägt von einer stärkeren Kund:innenorientierung, der Kopplung von Strom, Wärme, Industrie und Verkehr sowie der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten sein. Durch den Einsatz von energiesparenden Technologien und der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen kann der Gesamtenergieverbrauch reduziert werden – mit entsprechender positiver Auswirkung auf den gesamtökonomischen Ressourcenverbrauch. Ebenso werden strategische Partnerschaften mit anderen Branchen wie z.B. Start-ups, Data Science und Cyber Security immer wichtiger.
 

Das Beispiel Kelag zeigt eine gelungene Erweiterung des Produktportfolios2)

Der Kärntner Landesversorger Kelag bietet neben speziellen umweltfreundlichen Stromtarifen für Wärmepumpenbesitzer:innen auch umfangreiche Lösungen für die E-Mobilität an. Dabei werden nicht nur spezielle Tarife für E-Autobesitzer:innen angeboten, sondern auch die dazugehörige Ladeinfrastruktur oder gar die Erzeugerinfrastruktur mittels eigener PV-Anlage. Zusätzlich tritt die Kelag nicht nur als Energieversorger auf, sondern auch als Internetprovider und Energieberater. 
 
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Abbildung 3: Weiterentwicklung der Wertschöpfungskette in Richtung Verbraucher am Beispiel der Kelag

Durch diese Wertschöpfungskette zeigt die Kelag eine erfolgreiche Erweiterung ihrer klassischen Gas- und Stromdienstleistungen in Richtung Verbraucher:in und bietet ihren Kund:innen maßgeschneiderte und umfassende Lösungen für ihre Energie- und Mobilitätsbedürfnisse.

 

Energiebranche im Wettlauf mit der Zeit: Maßnahmen gegen den Klimawandel und Geopolitik

Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen müssen sich EVU auch den globalen Entwicklungen stellen. Angesichts der zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels und der volatilen Versorgungssicherheit der fossilen Energieträger ist es entscheidend, dass die Energiebranche schnell und umfassend Maßnahmen ergreift, um den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung voranzutreiben.

Obwohl es eine politische Agenda gibt, die den Übergang zu Erneuerbaren Energien fördert, stagnieren in Österreich seit Jahren der Endenergieverbrauch (312 TWh im Jahr 2021, davon 36,4% aus Erneuerbaren Energien3) und die CO2-Emissionen (84,7 Mio. Tonnen im Jahr 2020, davon 48,7 Mio. aus fossilen Quellen4). Österreich hat sich das Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein5). Dies würde eine Reduzierung der CO2-Emissionen und eine Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien im Energiemix voraussetzen.

Die Energiewende muss weiter voranschreiten, um die nationalen Klimaziele zu erreichen und die negativen Auswirkungen des globalen Klimawandels und der Geopolitik zu minimieren. Ein Blick in die heimische Energiewirtschaft zeigt, dass die Transformation des bestehenden Systems u.a. an einem Flaschenhals hängt: dem Netzausbau.


Herausforderungen der Energiewende am Beispiel des Netzausbaus der Austrian Power Grid (APG)6) 

Neben dem marktpreisbestimmten Kraftwerkseinsatz (Merit-Order-Prinzip) beeinflussen der Stromverbrauch und vor allem der zunehmende Ausbau der erneuerbaren Energieträger (Windkraft, Photovoltaik) die Netzauslastung in Österreich bzw. Europa. Um dennoch die Stabilität des Netzes zu garantieren, steigt der Bedarf an Ausgleichs- und Regelenergie stark an, die wiederum zu hohen Netzkosten führen.

Diese Eingriffsmaßnahmen sind auch nur bis zu bestimmten physikalischen Grenzen möglich (verfügbare Kapazitäten der Regelkraftwerke und Übertragungsnetze). Damit diese Herausforderungen bewältigt werden können, plant der österreichische Regelzonenführer APG bis 2031 umfangreiche Netzverstärkungen und Netzausbauten in Österreich. Dabei ergeben sich eine Reihe an weiteren Herausforderungen, wie z.B. langwierige UVP-Verfahren und der Mangel an Fachkräften. Bis das Netz vollständig ausgebaut ist, kann es daher stellenweise zu Engpässen kommen, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität bremsen und damit das Erreichen der Klimaziele gefährden können.

 

Zusammenfassung

  • Die Trends und Anforderungen an EVU sind vielfältig und haben Auswirkungen auf alle bestehenden Geschäftsbereiche.
  • Trotz der Herausforderungen bieten sich für EVU auch viele Chancen für neue Geschäftsmodelle, wie am Beispiel der Kelag deutlich wird.
  • Um den Anforderungen gerecht zu werden, müssen sich EVU mit strategischen Partnerschaften und Digitalisierung auseinandersetzen, damit beispielsweise die Daten- und IT-Sicherheit gewährleistet sowie Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden können.
  • Der Druck auf EVU, auf Erneuerbare Energien umzusteigen, wird durch den Klimawandel und geopolitische Entwicklungen erhöht. Dabei stellt der Netzausbau eine der größten Herausforderungen dar, wie das Beispiel der APG zeigt.


Ausblick – 3 Strategien für die Transformation zum modernen Energieversorger

EVU müssen sich transformieren, um wettbewerbsfähige grüne Energieprodukte auch in Zukunft anbieten zu können. Eine klare Strategie zur Optimierung von Geschäftsprozessen und Erhöhung der Energieeffizienz ist hierfür unerlässlich.

Eine überzeugende Nachhaltigkeitsstrategie und Governance eröffnet zukunftsweisende grüne Geschäftsmodelle und sichert den Unternehmenserfolg ab. Um diesen Wandel erfolgreich zu gestalten, bedarf es gezielter Change-Maßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Branche abgestimmt sind. Eine solche Begleitung sichert nicht nur den wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch die Bindung von Talenten an die Organisation. In den kommenden Artikeln werden wir ausführlicher auf diese Zukunftsstrategien eingehen und zeigen, wie Innovation und Veränderung umgesetzt werden können.

 


Autor:

Philipp Puchbauer

philipp.puchbauer@bdo.at
+43 5 70 375 - 8107

 

 

 
 
 

1) Österreichs E-Wirtschaft, 2022. Doppelter Stromverbrauch bis 2040 
2) Kelag, 2023. Privatkunden 
3) Statistik Austria, 2023. Energiebilanzen 
4) Statistik Austria, 2023. Luftemissionsrechnung 
5) BMF, 2023. Die österreichische Klimaschutzstrategie 
6) Austrian Power Grid (APG), 2021, Netzentwicklungsplan 2021

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