Die Macht der Flexibilität

Die Macht der Flexibilität

Unser Thema am People Thursday, dem 13 Juli 2023:  


 

In den letzten Jahren hat sich die Arbeitswelt stark verändert. Immer mehr Unternehmen erkennen und nutzen die Vorteile des Home Office und flexibler Arbeitsmodelle. Insbesondere aus Sicht des Recruitings ergeben sich dadurch interessante Chancen, um den Arbeitsmarkt zu erweitern und global nach neuen Talenten zu suchen. 

 

Vorteile des Home Office für Mitarbeiter:innen 

Home Office eröffnet Arbeitssuchenden den Zugang zu einem breiteren Arbeitsmarkt. Sie haben dadurch die Möglichkeit, im Ausland nach Jobmöglichkeiten zu suchen und ihre berufliche Entwicklung voranzutreiben - daraus ergeben sich zahlreiche Vorteile.  

Indem Mitarbeiter:innen ihre Arbeit überwiegend von zu Hause aus verrichten, bleibt diesen durch die zunehmende Flexibilität und Arbeitseinteilung mehr Zeit für sich selbst und ihre persönlichen Interessen. Eltern können beispielsweise mehr Stunden arbeiten und trotzdem die Kinderbetreuung gewährleisten, indem sie ihre Arbeit in ihren eigenen Rhythmus integrieren. 

Obwohl das Home Office viele Vorteile bietet, ist der persönliche Austausch mit Kolleg:innen und Vorgesetzten nach wie vor sehr wichtig. Durch gelegentliche Treffen im Büro haben Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, eine engere Beziehung miteinander aufzubauen und das Teamgefühl zu stärken. 

 

Vorteile des Home Office für Arbeitgeber:innen 

Indem sich Mitarbeiter:innen den täglichen Weg ins Büro sparen, können Pendler:innenfahrten vermindert werden. Dies ist ein großer Vorteil für Unternehmen, da sie so einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der Klimaauswirkungen des Verkehrs leisten können und ihren Ruf als klimafreundliche:r Arbeitgeber:in stärken. 

Außerdem eröffnet die Möglichkeit, im Ausland nach Talenten zu suchen, ein breiteres Spektrum an potenziellen neuen Kandidat:innen. Bürokosten und Infrastrukturausgaben werden gesenkt, da weniger physischer Platz benötigt wird. Darüber hinaus führt das Home Office zu einer höheren Mitarbeiter:innenzufriedenheit. Wie die Gallup Studie 2023 zeigt, sind diese stärker in ihre Tätigkeiten involviert und arbeiten begeisterter (Gallup, 2023), da es mehr Flexibilität und eine bessere Work-Leisure-Balance ermöglicht. Beispielsweise können Mitarbeiter:innen, die Familienmitglieder außerhalb von Österreich haben, Remote Work nutzen, um diese zu besuchen. So werden Urlaubstage gespart und die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen durch den temporären Wechsel des Arbeitsorts gesteigert.  

Auch am Arbeitsmarkt kann mithilfe flexibler Arbeitsmodelle der Ruf als Arbeitgeber:in gestärkt und Talente angezogen werden. Unternehmen müssen sich jedoch genau überlegen, wie Mitarbeiter:innen, die sich überwiegend im Home Office befinden, in die Teams und den Betrieben integriert werden können. Ein gut gestalteter Onboarding-Prozess ist dabei entscheidend. So kann das Unternehmen neuen Mitarbeiter:innen einen reibungslosen Einstieg ermöglichen, indem diese mit den Unternehmenswerten und -normen vertraut gemacht werden. Auch aus rechtlicher Sicht gibt es verschiedenste Regelungen, mit denen sich Arbeitgebende auseinandersetzen müssen.    

 Auf europäischer Ebene gibt es im Bereich der grenzüberschreitenden Telearbeit in der Sozialversicherung seit 1.7.2023 eine wesentliche Neuerung in Bezug auf eine einheitliche Ausnahmeantragsmöglichkeit für den Verbleib in der Sozialversicherungszuständigkeit im Arbeitgeberstaat. Die Verordnung (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gilt für Tätigkeiten innerhalb der EU, des EWR und der Schweiz.  

 Auf europäischer Ebene wurde auf Basis von Artikel 16 der VO (EG) 883/2004 eine Rahmenvereinbarung für Multi-State-Worker ausgearbeitet. Die 27 EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen, Island, Liechtenstein, die Schweiz und das Vereinigte Königreich wurden aufgefordert, das Rahmenabkommen zu unterzeichnen. Die Vereinbarung ist am 1.7.2023 in jenen Ländern in Kraft treten, die vor dem 1.7.2023 diese Rahmenvereinbarung ratifiziert haben. Eine Übersicht über die Staaten, die die Vereinbarung bereits unterzeichnet haben, finden Sie hier: Cross-border telework in the EU, the EEA and Switzerland | Federal Public Service - Social Security.  

 

Voraussetzungen 

Die Rahmenvereinbarung ist nur anwendbar, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 

  • Der:die Arbeitnehmer:in übt grenzüberschreitende Telearbeit aus. Die Rahmenvereinbarung definiert grenzüberschreitende Telearbeit als jene Tätigkeit  
  • die von jedem beliebigen Ort aus ausgeübt werden kann und in den Räumlichkeiten oder der Betriebsstätte des:der Arbeitgeber:in stattfinden könnte und die 
  • in einem anderen Mitgliedstaat als jenem ausgeübt wird, in dem sich der Sitz des:der Arbeitgeber:in befindet und 
  • unter Einsatz von Informationstechnologie erfolgt, um mit dem Arbeitsumfeld des:der Arbeitgeber:in oder des Unternehmens in Verbindung zu bleiben und so die vom Arbeitgebenden übertragenen Aufgaben zu erfüllen. 
  • Außerdem muss die grenzüberschreitende Telearbeit zwischen dem:der Arbeitgeber:in und dem:der Arbeitnehmer:in vereinbart werden.  
  • Die Telearbeitszeit des:der Arbeitnehmer:in beträgt mehr als 25%, aber weniger als 50% der Gesamtarbeitszeit. 
  • Es handelt sich um nichtselbstständige Personen (Arbeitnehmer:innen). 
  • Der:die Arbeitnehmer:in lebt in einem Staat, der die Rahmenvereinbarung ratifiziert hat und der:die Arbeitgeber:in befindet sich in einem anderen Staat, der ebenfalls die Rahmenvereinbarung ratifiziert hat. 
  • Der:die Arbeitnehmer:in arbeitet gewöhnlich in dem Mitgliedstaat, in dem der:die Arbeitgeber:in seinen Sitz hat, und leistet Telearbeit in seinem Wohnmitgliedstaat. 

  

Folgen und Verfahren 

Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann im Arbeitgeber:innenstaat ein Ausnahmeantrag beim zuständigen Sozialversicherungsträger gestellt werden. Die Anwendung der Rahmenvereinbarung hat zur Folge, dass der:die Arbeitnehmer:in dem Sozialversicherungsrecht des Sitzstaates des Arbeitgebers unterliegt, solange die Arbeitszeit im ausländischen Home Office weniger als 50% der Gesamtarbeitszeit des:der Arbeitnehmer:in beträgt.  

Ausnahmevereinbarungen, die auf Basis der Rahmenvereinbarung gestellt werden, sind für maximal 3 Jahre gültig und können grundsätzlich nur für zukünftige Zeiträume beantragt werden. Die wichtigste Ausnahme bezieht sich auf den Zeitraum vom 1.7.2023 bis zum 30.6.2024. In diesem Zeitraum kann ein Ausnahmeantrag auch für einen zurückliegenden Zeitraum von bis zu 12 Monaten gestellt werden. Es darf jedoch keinen Zeitraum vor dem Inkrafttreten des Rahmenabkommens umfasst sein. Für Staaten, die die Rahmenvereinbarung erst nach dem 30.6.2023 unterzeichnet, gelten die Bestimmungen der Rahmenvereinbarung ab dem 1. des folgenden Monats. 

 

Fazit 

Die Vorteile von Home Office aus Sicht des Recruitings sind vielfältig. Mitarbeiter:innen profitieren von Flexibilität, einer besseren Work-Leisure-Balance und Zeitersparnis. Unternehmen wiederum erschließen einen erweiterten Arbeitsmarkt, senken Kosten und können die Mitarbeiter:innenzufriedenheit und ihren Ruf stärken. Die Kombination von Home Office und gelegentlichen Bürobesuchen ermöglicht somit eine effiziente und flexible Arbeitsweise, die den Anforderungen des modernen Arbeitsmarkts gerecht wird. Nichtsdestotrotz sind eine umfassende Planung und Strategie erforderlich, damit sichergestellt werden kann, dass neue Mitarbeiter:innen effektiv in das Unternehmen eingebunden werden und die Unternehmenskultur auch über die Distanz hinweg erleben können. 

Zusätzlich gibt es bei der Beschäftigung von Mitarbeiter:innen im Home Office auch einige arbeits- und steuerrechtliche sowie sozialversicherungsrechtliche Aspekte zu beachten, vor allem dann, wenn die Mitarbeiter:innen ihre Home Office Tätigkeit im Ausland ausüben möchten.    

Die Anwendung der Rahmenvereinbarung für Multi-State-Worker hat jedoch den Vorteil, dass die Mitarbeiter:innen im Sitzstaat des:der Arbeitgeber:in der Sozialversicherung unterliegen, auch wenn sie bis zu 50% ihrer Gesamtarbeitszeit im ausländischen Home Office erbringen. Es ist allerdings zu beachten, dass die oben dargestellten Ausnahmen nur im Bereich der Sozialversicherung, nicht jedoch auf steuerlicher Ebene anwendbar sind. 

 


 

Autorinnen:

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