Ghosting in der Arbeitswelt

Ghosting in der Arbeitswelt

Unser Thema am People Thursday, dem 30. März 2023: 


 

Ghosting. Ein neuer Trend, der Arbeitgeber:innen fordert 

Der Ausdruck „Ghosting“ ist mittlerweile allseits bekannt und wird zumeist in Zusammenhang mit Beziehungen genannt. Unter Ghosting wird die plötzliche Unerreichbarkeit bzw. die Abspaltung einer Person von einer anderen ohne Vorwarnung oder Angabe von Gründen verstanden1). Mittlerweile hat sich der Begriff auch im Berufsleben verankert, da dieses Phänomen immer häufiger im Arbeitsleben auftritt.

Ghosting im Arbeitsleben ist den meisten nur aus Bewerber:innensicht bekannt. Arbeitgeber:innen veröffentlichen ein Stellenangebot und Bewerbende, die für die Position nicht geeignet erscheinen, erhalten oftmals keine Rückmeldung. Ein solches Verhalten fällt allerdings negativ auf Arbeitgebende zurück. Ein:e Bewerber:in mag zwar für die beworbene Stelle per se nicht geeignet sein, könnte jedoch ein „perfect fit“ für eine zukünftig vakante Position sein. Zudem läuft das Unternehmen Gefahr, sich am Arbeitsmarkt einen schlechten Ruf zu erarbeiten, da sich ein solches Verhalten rasch herumspricht.

Weniger thematisiert wird hingegen, dass Ghosting am Arbeitsmarkt beidseitig erfolgen kann. Der Wandel vom Arbeitgeber:innen- zum Arbeitnehmer:innenmarkt bewirkt, dass Unternehmer:innen immer mehr um Arbeitskräfte kämpfen müssen. Das dadurch entstandene Jobüberangebot führt dazu, dass nun auch Arbeitgeber:innen vermehrt keine Rückmeldung von Bewerber:innen erhalten. Das Nichterscheinen zum Bewerbungsgespräch bringt Recruiter:innen in eine schwierige Situation. Denn durch das Ausbleiben einer Rückmeldung verzögert sich der Bewerbungsprozess und die Kosten für die Personalsuche steigen. In vereinzelten Fällen kann es sogar vorkommen, dass ein:e neue:r Mitarbeiter:in einfach nicht zum ersten Arbeitstag erscheint, obwohl der Dienstvertrag bereits unterschrieben wurde.

 

Weshalb werden Sie geghostet und was können Sie dagegen tun?

Ein wichtiger Faktor, der vorerst berücksichtigt werden sollte, ist, dass Verbindlichkeit in der Gesellschaft immer mehr in den Hintergrund tritt und viele Menschen sich nicht festlegen möchten. Erhält ein Unternehmen nur in vereinzelten Fällen keine Rückmeldung, müssen jedoch nicht sofort die eigenen Qualitäten in Frage gestellt werden. Tritt Ghosting vermehrt auf, sollten Sie in eine Positionierung als attraktive:r Arbeitgeber:in investieren.

Für viele Kandidat:innen sind Absagen einfach unangenehm und einige versuchen diese durch Ghosting zu vermeiden. Als Arbeitgeber:in sollten Sie die Absage so komfortabel wie möglich gestalten. Beispielsweise können Sie hier die Schnellabstimmungs-Funktion von Outlook nutzen, in denen Sie Bewerbenden die Möglichkeit geben, Ihnen durch eine unpersönliche und schnelle Art mitzuteilen, ob diese zum Bewerbungsgespräch oder am ersten Arbeitstag erscheinen.

Dass Unternehmen von Bewerber:innen geghostet werden kann auch an zu langen Rückmeldungen liegen. Gerade im „War for talents” erweisen sich lange Kommunikationswege als Stolperstein und stehen einem effizienten Recruitingprozess im Weg. Vermeiden Sie also lange Kommunikationswege und halten Sie die Bewerbenden stets über den aktuellen Stand am laufenden, selbst wenn Sie den:die Kandidat:in nur darum bitten, sich noch ein wenig zu gedulden.

 

Wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen?

Aus rechtlicher Sicht wird das Ghosting in Form des unentschuldigten Nichterscheinens eines:r neuen Mitarbeitenden am ersten Arbeitstag als Rücktritt vom Arbeitsvertrag vor Dienstantritt bezeichnet. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um ein Dienstverhältnis mit oder ohne Probemonat handelt:

  • Während des Probemonats kann ein Dienstverhältnis jederzeit von beiden Vertragsparteien ohne Einhaltung von Fristen und Terminen ohne Angaben von Gründen aufgelöst werden. Da es weder im Interesse des:der Arbeitgebenden noch des:der Arbeitnehmenden ist, bis zum Arbeitsantritt mit der Auflösung des Dienstverhältnisses zuzuwarten, können bei einem Dienstverhältnis mit Probemonat beide Vertragsparteien auch bereits vor Dienstantritt einseitig vom vereinbarten Arbeitsvertrag ohne weitere Rechtsfolgen zurücktreten. In diesem Fall kann ein Rücktritt keine Schadenersatzansprüche auslösen und die Vereinbarung einer Konventionalstrafe (für den Nichtantritt des Dienstes) ist unwirksam. Einen Anspruch auf „eine Chance auf einen Probemonat“ hat der:die Arbeitnehmende somit nicht.
  • Bei einem Dienstverhältnis ohne Probemonat normiert das AngG für Arbeitsverträge von Angestellten bestimmte Rücktrittsgründe für Arbeitgeber:innen (z.B. bei Nichtantritt des Dienstes zum vereinbarten Zeitpunkt oder bei Vorliegen eines Entlassungsgrundes) und Arbeitnehmer:innen (z.B. verschuldete Verzögerung des Antritts oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, der zum vorzeitigen Austritt berechtigt). Erfolgt ein unberechtigter Rücktritt (= Rücktritt ohne Rücktrittsgrund), so wird das noch nicht angetretene Dienstverhältnis dennoch aufgelöst. Es kann aber unter bestimmten Voraussetzungen zu Schadenersatzverpflichtungen für Arbeitnehmende oder Arbeitgebende kommen!

Ob ein Probemonat vorliegt oder nicht, hängt in erster Linie von der Vereinbarung zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden ab, es sehen aber auch viele Kollektivverträge – zwingend oder mangels abweichender Vereinbarung - ein Probemonat vor. So regelt z.B. der Kollektivvertrag für Angestellte im Handel, dass der erste Monat als Probemonat i.S.d. § 19 Abs. 2 AngG gilt, soweit keine andere Vereinbarung getroffen wurde. Achtung: Für Lehrlinge ist eine Probezeit (im Ausmaß von drei Monaten) gesetzlich zwingend vorgesehen, zudem sind besondere Formvorschriften zu beachten (Schriftform, Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bei Minderjährigen)!

 

Was ist in der Personalverrechnung zu beachten?

Jede beschäftigte Person (Dienstnehmer:innen, freie Dienstnehmer:innen, geringfügig Beschäftigte etc.) ist grundsätzlich vor Dienstantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden (Ausnahme elektronische Anmeldung binnen 7 Tagen bei einer Vor-Ort-Anmeldung). Wird die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht rechtzeitig vor Arbeitsantritt erstattet, drohen Verwaltungsstrafen bis zu EUR 2.180 (bzw. im Wiederholungsfall bis zu EUR 5.000); wird die Anmeldung nicht innerhalb von 7 Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung erstattet, können zudem Säumniszuschläge (Wert 2023: EUR 59 pro Meldeverstoß) vorgeschrieben werden. Mit der Anmeldung kann somit nicht zugewartet werden, ob der:die neue Mitarbeiter:in tatsächlich auch den Dienst antritt!

Ebenso besteht bei Ende der Pflichtversicherung die Verpflichtung zur Abmeldung von der Sozialversicherung (binnen 7 Tagen). Achtung: Wurde ein:e neue:r Mitarbeiter:in bereits angemeldet und nimmt diese:r ihre:seine Beschäftigung dann doch nicht auf, so muss die erfolgte Anmeldung storniert werden (bei einer Abmeldung entstünde für diesen Tag fälschlicherweise eine Pflichtversicherung)!

 

Fazit

Ghosting in der Arbeitswelt hat nicht nur Auswirkungen auf den konkreten Bewerbungsprozess, sondern auch allgemein auf die wahrgenommene Arbeitgeber:innenattraktivität sowie Vertrauenswürdigkeit der ghostenden Person. Ganz gleich ob Arbeitgeber:in oder Bewerber:in – wer ghostet, wird vermerkt und erhält so schnell keine zweite Chance mehr. Zudem kann es durch Ghosting zu einem administrativen Mehraufwand in der HR sowie in der Personalverrechnung kommen und unter Umständen ist sogar mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Um das Ghosting möglichst minimieren zu können, ist es daher ratsam, in Ihre Employer Branding Strategie zu investieren und Ihre Unternehmenskultur mit einem kritischen Blick zu betrachten.

 


Autor:innen:

Julia Mäder

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Katarina Vasic

katarina.vasic@bdo.at
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Ansprechpartner:innen:

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