Grenzüberschreitende gewerbliche Arbeitskräfteüberlassung

Grenzüberschreitende gewerbliche Arbeitskräfteüberlassung

Unser Thema am People Thursday, dem 3. November 2022:


Bei grenzüberschreitenden Mitarbeiter:inneneinsätzen ergeben sich sowohl auf Mitarbeiter:innenebene als auch auf Ebene des überlassenden und empfangenden Unternehmens zahlreiche Konsequenzen. Im nachfolgendenden Beitrag sollen der Bereich der gewerblichen Arbeitskräfteüberlassung und die damit verbundenen steuerlichen Folgen näher beleuchtet werden. Insbesondere wird auch auf das Erkenntnis des VwGH Ra 2020/13/0089 vom 23.4.2021 und die daraus resultierenden Neuerungen im Bereich der Abzugsteuer eingegangen.

 

Ausgangssituation

Ein in Österreich nicht steuerlich ansässiger Arbeitskräftegesteller (gewerblicher Arbeitskräfteüberlasser) überlasst seine Arbeitnehmer:innen an einen österreichischen Beschäftiger. Die überlassenen Arbeitnehmer:innen bleiben im Ausland steuerlich ansässig. Für die Überlassung der Mitarbeiter:innen verrechnet der ausländische Arbeitskräftegesteller ein Gestellungsentgelt an den österreichischen Beschäftiger.

Das Gestellungsentgelt, das vom österreichischen Beschäftiger an den ausländischen Arbeitskräfteüberlasser für die Gestellung der Arbeitskräfte entrichtet wird, setzt sich in der Regel aus mehreren Komponenten zusammen. Einerseits soll mit dem Gestellungsentgelt der Bruttoarbeitslohn der überlassenen Mitarbeiter:innen abgegolten werden, andererseits sind vom Gestellungsentgelt auch Lohnnebenkosten und Gewinnspannen umfasst.

Im Rahmen der oben dargestellten grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung kann in Österreich auf zwei Ebenen ein Besteuerungsrecht entstehen: einerseits auf Ebene der Mitarbeiter:innen und andererseits auf Ebene des Arbeitskräfteüberlassers. Die in Österreich nur beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer:innen unterliegen mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die in Österreich ausgeübt oder verwertet wird, der Besteuerung in Österreich. Zusätzlich sieht das österreichische Einkommensteuergesetz (EStG) vor, dass die Einkünfte aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung in Österreich der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Daher wird auch der ausländische Arbeitskräfteüberlasser mit seinen Einkünften aus der Gestellung der Arbeitskräfte in Österreich beschränkt steuerpflichtig. Die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger wird durch Steuerabzug (Abzugsteuer) erhoben und beträgt in der Regel 20%. Schuldner der Steuer ist der ausländische Arbeitskräfteüberlasser, allerdings haftet der inländische Beschäftiger für die Einbehaltung und Abfuhr der Abzugsteuer.

Um auf nationaler Ebene eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, ist vorgesehen, dass die steuerliche Erfassung der Einkünfte der Mitarbeiter:innen zu unterbleiben hat, wenn deren Einkünfte wirtschaftlich bereits im Rahmen der Einkünfte aus der Gestellung der Arbeitskräfte erfasst wurden. Aus diesem Grund hat der österreichische Beschäftiger die Abzugsteuer in Höhe von 20% vom Gestellungsentgelt einzubehalten und an das österreichische Finanzamt abzuführen. Damit gelten grundsätzlich sowohl die Einkünfte des ausländischen Arbeitskräfteüberlassers als auch die Einkünfte der überlassenen Mitarbeiter:innen als in Österreich besteuert.

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten sind jedoch zusätzlich zum nationalen Recht auch die von Österreich abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen zu berücksichtigten. In Anlehnung an Art. 7 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) sehen die österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen in der Regel vor, dass die Einkünfte aus der Arbeitskräftegestellung ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Arbeitskräftegestellungsunternehmens besteuert werden dürfen, wenn der Arbeitskräfteüberlasser in Österreich keine lohnsteuerliche Betriebsstätte hat, was in der Regel der Fall sein wird. Hinsichtlich der Einkünfte der gestellten Arbeitnehmer:innen verbleibt das Besteuerungsrecht gemäß Art. 15 OECD-MA jedoch in Österreich, da der Beschäftigerbetrieb in der Regel als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen sein wird.

 

Bisherige Rechtslage

Unter der Annahme, dass Österreich unter Heranziehung des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens kein Besteuerungsrecht für die Gestellungsvergütung zukommt, sondern nur für die Einkünfte der überlassenen Arbeitnehmer:innen, sind zwei Möglichkeiten zur Steuerentlastung vorgesehen.

Es gibt einerseits die Möglichkeit der Entlastung an der Quelle, die die Beantragung eines sogenannten „Befreiungsbescheids“ beim Finanzamt für Großbetriebe voraussetzt. Wurde die Abzugsteuer bereits eingehoben, hat der Arbeitskräfteüberlasser anderseits die Möglichkeit, die Rückerstattung der Abzugsteuer zu beantragen. Die Rückerstattung setzt allerdings voraus, dass die Besteuerung des in der Gestellungsvergütung enthaltenen Lohnanteils sichergestellt ist. Die Sicherstellung der Besteuerung des Lohnanteils erfolgte bisher im Wege einer „fiktiven Lohnsteuerermittlung“. Die Rückerstattung der Abzugsteuer wurde nur insoweit gewährt, als die einbehaltene Abzugsteuer die fiktive Lohnsteuer überstieg. Nach Ansicht des VwGH ist im Rahmen des Rückerstattungsverfahrens allerdings keine „fiktive Lohnsteuer“ zu ermitteln, sondern es ist vielmehr die fiktive Steuer entsprechend einer „fiktiven Jahresveranlagung“ zu ermitteln, bei der auch allfällige Werbungskosten der Arbeitnehmer:innen zu berücksichtigen sind. Da dies für die Steuerpflichtigen und die Finanzbehörden mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden wäre, hat sich der österreichische Gesetzgeber entschieden, die Abzugsteuer teilweise neu zu regeln.

 

Neuerungen

In der DBA-Durchführung-Anpassungsverordnung wird nun geregelt, dass der auf die Löhne und Gehälter entfallende Teil der Gestellungsvergütung pauschal 70% beträgt. Die restlichen 30% der Gestellungsvergütung entfallen auf Lohnnebenkosten und Gewinnspannen. Weiters ist vorgesehen, dass die Vergütungen für die Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung mit dem Einbehalt und der Abfuhr von 70% der Abzugsteuer vom Gestellungsentgelt die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der überlassenen Arbeitskräfte als wirtschaftlich bereits erfasst sowie deren Besteuerung als sichergestellt gelten.

Wie bisher sind zwei Möglichkeiten zur Steuerentlastung vorgesehen. Mithilfe der Beantragung eines Befreiungsbescheids kann das Finanzamt für Großbetriebe durch Bescheid eine Entlastung an der Quelle zeitlich befristet zulassen, wenn sichergestellt ist, dass keine Umgehungsgestaltung vorliegt und der ausländische Arbeitskräfteüberlasser einen Lohnsteuerabzug vornimmt sowie die Haftung für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer übernimmt. In diesem Fall ist eine Entlastung von bis zu 100% des Gestellungsentgelts möglich. Alternativ kann der Arbeitskräfteüberlasser in der Vorausmeldung die pauschale Entlastung an der Quelle wählen. In diesem Fall hat der Beschäftiger den auf den Lohnanteil entfallenden Teil von 70% der Abzugsteuer vom Gestellungsentgelt einzubehalten und abzuführen. Die verbleibenden 30% der Abzugsteuer, die auf Lohnnebenkosten und Gewinnspannen entfallen, können bereits an der Quelle entlastet werden. Der formale Prozess für die Beantragung des Befreiungsbescheids wurde in der Verordnung an die bisherige Verwaltungspraxis angepasst. Bereits vor Stellung des Antrags auf Ausstellung eines Befreiungsbescheids ist eine elektronische Vorausmeldung abzugeben. 

Wird keine Entlastung an der Quelle beantragt und vorgenommen, so kann der Arbeitskräfteüberlasser eine Rückerstattung der Abzugsteuer beantragen. Allerdings ist auch hier die anteilige Entlastungssperre in Höhe von 70% der Abzugsteuer vom Gestellungsentgelt zu beachten. Rückerstattungsfähig sind daher grundsätzlich nur 30% der Abzugsteuer. Es ist jedoch auch im Rückerstattungsverfahren eine Rückerstattung von bis zu 100% der Abzugsteuer möglich, wenn für die überlassenen Arbeitskräfte ein Lohnsteuerabzug vorgenommen wird und der Überlasser die Haftung für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer übernimmt.

Die DBA-Durchführung-Anpassungsverordnung gilt im Wesentlichen seit 1.9.2022 und umfasst auch die Fälle der konzerninternen Arbeitskräfteüberlassung von Angestellten und Arbeiter:innen. Hinsichtlich der Rückerstattung der Abzugsteuer gilt die Verordnung für alle zum 1.9.2022 noch offenen Fälle. Die Möglichkeit der pauschalen Quellenentlastung für gewerbliche Arbeitskräfteüberlassung sowie die konzerninterne Arbeitskräfteüberlassung von Arbeiter:innen tritt mit 1.1.2023 in Kraft und gilt für jene Einkünfte, die ab diesem Zeitpunkt zufließen. 

 

Fazit

Das Erkenntnis des VwGH Ra 2020/13/0089 vom 23.4. 2021 führte zum Erlass der DBA-Durchführung-Anpassungsverordnung zur Neuregelung der Abzugsteuerentlastung bei Arbeitskräftegestellungen. Das wesentliche Element der Neuregelung ist die pauschale Aufteilung des Gestellungsentgelts und der darauf entfallenden Abzugsteuer (70% Lohnanteil, 30% Lohnnebenkosten und Gewinnspanne). Eine Rückerstattung der gesamten Abzugsteuer ist nur möglich, wenn ein freiwilliger Lohnsteuerabzug erfolgt. Andernfalls werden pauschal nur 30% der Abzugsteuer rückerstattet. Eine Entlastung an der Quelle ist im Falle der gewerblichen Arbeitskräfteüberlassung weiterhin nur bei Vorliegen eines Befreiungsbescheids möglich, der für die vollständige Entlastung ebenfalls einen freiwilligen Lohnsteuerabzug voraussetzt.

 


Autor:innen:

Cornela Stangl
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Philipp Sabukoschek
philipp.sabukoschek@bdo.at
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